Vatikanstadt
z. Hd. Herrn Kardinal Ratzinger
6.3.03
Sehr geehrter Herr Kardinal Ratzinger,
es ist sicher sehr ungewöhnlich, dass sich Ihnen ein Bürger auf diese Weise per Email nähert, es mag - vor allem, wenn man den noch folgenden Inhalt vernimmt - gänzlich vermessen oder gar abwegig erscheinen. Doch ich versichere Ihnen, dass ich es mit meinem Vorschlag sehr ernst meine.
Die bisherigen Bemühungen der katholischen Kirche, vor allem auch des Papstes, zur Verhinderung des Irakkrieges, imponieren mir sehr und sie bringen mein Weltbild gehörig ins Wanken. Dies sagt Ihnen ein Erzieher und kritischer Barde aus dem Bayerischen Wald, Jahrgang 51, mehrfacher Vater und Großvater, der einmal sehr fromm war, sich aber aus vielerlei Gründen der Kirche entfremdet hat. Und doch traue ich diesem Papst die couragiertesten Handlungen zu. Dies gibt mir den Mut anzuregen, dass er den Krieg verhindert, in dem er sich vor Ausbruch des Bombardements nach Bagdad begibt, an die Seite der wehrlosen Bevölkerung des Iraks. Dieses Zeichen würde, so glaube ich, die Welt verändern, selbst ein Mensch wie der amerikanische Präsident, könnte keinen Angriffsbefehl mehr geben, täte er es, wäre es sein politisches Ende und das jener Kräfte, die er vertritt.
Der Papst schützend an der Seite der Menschen, die in der Mehrzahl gar keine Christen sind - die Bedeutung einer solchen Geste würde alles Dagewesene sprengen und wäre ein zutiefst christliches Gegengewicht zu allen Verbrechen, zu denen seine Vorgänger geschwiegen haben, ja es würde diese bedeutungslos machen. Ein "Gerechter", statt in Sodom nun in Bagdad, würde dessen Zerstörung verhindern können.
Ich weiß, wie anmaßend und gänzlich illusorisch diese Anregunge auf Sie wirken muß, doch ich schrieb sie aus einer Gewissensnot.
Ich wünsche dem Papst Kraft und Durchhaltevermögen!
Helmut Josef Geiss