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...passend zum neuen Freihandelsabkommen der WTO

eine Parabel aus den "Kalendergeschichten eines bayerischen Barden" aus dm Jahr 1983 , bzw. aus: "Parabel & Märchen" 2003,  Copyright Geiss Haejm

Von einem, der auszog die Gründe des Hungers zu entdecken

Jo hatte es satt! Obwohl er seit Wochen große Bogen um aktuelle Druckerzeugnisse machte, Radio und Fernsehen mied, stieß er dennoch laufend auf die Meldungen vom millionenfachen Hungertod in der Dritten Welt.     

Er konnte es einfach nicht mehr ertragen, selber satt zu sein und zu wissen, dass jedes Jahr 17 Millionen Kinder weltweit verhungerten. Wen er auch fragte, was die Gründe für dieses unglaubliche Geschehen wären, zuckte die Achseln und faselte etwas von Überbevölkerung und Rückständigkeit.

Jo wollte es schließlich genau wissen. Er verkaufte sein Auto und seine Stereoanlage und besorgte sich ein Ticket nach Amerika. Zuerst wollte er eine dieser Bananenrepubliken besuchen, weil er noch nie verstanden hatte, dass es in Ländern, in den Bananen wachsen, zu wenig Nahrung  geben konnte.

Als er im Bananenland ankam, sah er auch gleich im Hafen Berge von grünen Bananen, bereit für die Verladung nach Europa. Jo erstand ein altes Fahrrad und machte sich auf den Weg, das Land zu erkunden.

Tagelang radelte er durch fruchtbare Ebenen mit Bananenstauden, soweit das Auge reichte. Dann fand er sie, die Ärmsten der Armen, sah ihre eingefallenen Wangen und hörte die Kinder vor Hunger weinen. Sie wohnten auf steinigen, unfruchtbaren Berghängen, und selbst dort hatten nur die wenigsten winzige Felder, denen sie ein wenig Mais und Bohnen abtrotzten.       

"Ich verstehe euch nicht", sagte Jo zu ihnen. "Warum eßt ihr keine Bananen oder pflanzt auf den Plantagen Getreide und Gemüse?"     

Die Armen reagierten wütend, zeigten ihm den Vogel und nannten ihn einen verrückten Gringo. Nun erst fielen Jo erst die bewaffneten Männer bei den Plantagen auf. Er begriff, dass diese nicht den Armen gehörten. Erbost fragte er einige Bewaffnete, ob sie sich bei ihrem miesen Job nicht schämten...

Als Jo nach einer Woche Gefängnis wieder entlassen wurde, gab man ihm ziemlich deutlich zu verstehen, dass er im Bananenland unerwünscht sei.

Langsam dämmerten ihm die Zusammenhänge, dennoch wollte er auch noch die anderen Hungerländer Süd- und Mittelamerikas besuchen. Als er im Kaffeeland ankam, wollte er seinen Augen nicht trauen, es war wie im Bananenland! In den fruchtbaren Flußtälern und Ebenen wurde Kaffee für die reichen Industrie-länder geerntet, die Armen mußten dort schuften und besaßen kein eigenes Land, um Lebensmittel anzubauen. Die riesigen Plantagen gehörten wenigen reichen Familien oder gar Konzernen in den Industrieländern. Diese bauten auf ihrem Land Kaffee an, weil der im Export am meisten Geld brachte. Warum sollten sie Lebensmittel für die Armen anbauen, wenn die doch kein Geld zum Bezahlen hatten?

 Jo fuhr weiter. Er besuchte das Baumwolland, das Tabakland, das Gummiland, das Zuckerland, das Kakaoland, das Erdnußland... und das Spritland. Da wurden doch glatt die Regenwälder abgefackelt, um danach zuckerreiche Pflanzen anzubauen - um daraus Sprit für die Autos der Reichen zu destillieren... Anderswo wurde der Dschungel in Weideland verwandelt, damit reiche Menschen im Norden genug Hackfleisch essen konnten. Jo erkannte nun, warum die reichen Länder im Überfluß lebten.

Völlig entnervt machte er sich auf den Weg nach Afrika, denn dort im Sahel würden, wie es hieß, die Menschen wegen der großen Trockenheit sterben… Den letzten Teil der Reise legte er auf einem Frachtschiff zurück, das Nahrungsmittel für die Hungernden geladen hatte. Wohltätige Menschen in den reichen Ländern hatten Geld gesammelt, um die größte Not zu lindern.

Noch auf dem Schiff erfuhr Jo, was als Rückfracht geladen werden sollte: Baumwolle und Futtermittel für das reiche Europa. Futter für Schweinemägen, damit die Europäer billige Steaks essen konnten...        

"Es ist also auch hier nicht die Trockenheit!", murmelte Jo verzweifelt, "was für ein Verbrechen! Wir senden den Hungernden gnädig Almosen und lassen gleichzeitig unseren Überfluß in ihrer Erde wachsen!        

Jo schämte sich und fuhr wieder nach Europa. Denn eines hatte er erkannt: die Ursachen für den Hunger waren nicht in den armen Ländern zu finden, sondern zu Hause.