Bruttobrutalprodukt

Opus 400/ 1987

(frei nach dem Straßensängerlied: „Jetzt wird wieder in die Hände gespukt“)

 

Der neue Götze heißt Bruttosozialprodukt. Wie weiland das goldene Kalb wird er umtanzt und gefeiert. Doch der Götze glänzt nur oberflächlich golden. Sein Körper ist voller Krebsgeschwüre, dessen Metastasen das ganze Land durchziehen.

Aus seinem Rachen strömen Gifte aller Art, seine Ausscheidungen töten unsere Erde. Seine lockende Stimme ist allgegenwärtig. Ohrengängig stößt sie in die Gehirne der Menschen. Kein Wunder also, wenn die Menschen dem Götzen nach dem Maul reden.

Sein Körper besteht aus Teer, Beton, Plastik, Plutonium, Drogen, Giften, Granaten, und Waffen. Allein seine Beine bestehen aus Produkten, die unser Leben erhalten.

Der Götze wächst mit jeder Verschwendung, jedem Unfall, jeder Katastrophe. Egal ob unsere Zähne verfaulen, unsere Gerätschaften verschleißen - jedes Unglück das Geld bewegt, bläht ihn auf.

Wenn es uns allen gut ginge, wäre dies schlecht für den Götzen. Wenn wir uns gar auf die Dinge beschränken würden, die uns angemessen und förderlich wären - ginge es dem Götzen sogar sehr, sehr schlecht. Früher, im Paradies, war der Götze sogar völlig unbekannt.

 

Wenns Hoiz vofoit und s Eisn rost,

und s Reparian an Haffa kost,

wenn da Voschleiß glei scho mit eibaut wiad,

und wenn irgendwo a Glosscheim kliad

- dann moant a Dumma des waar schlecht,

doch da Voikswiatschaft kimmt des grod recht

do riaht se Gaejd - es is a Hohn -

unsa "Wohlschtand" schteigt mit jedem Schoon...

 

Wenne zfoi bin dasse saejba laaf

und mia a schtingade Blechscheesn kaaf,

und song ma, dass mit dera kracht

und um mi herum wiads schwoaze Nacht.

Mi lengs in Gips und mia gehts schlecht

- da Voikswiatschaft kimmt jeda Unfoi recht!

Da riaht se Gaejd, es is a Hohn:

Unsa "Wohlschtand" steigt mit jedem Schoon.

 

Wenne saaf und rauch und schleck,

volegts ma d Adan und es wochst mei Schpeg.

Wenn ma d Zähnt ausfoin und mei Lung zuateat,

hod des fia mi saejba wenig Weat.

Doch grod a Dumma moant, des waar schlecht,

da Voikswiatschaft kimmt des grod recht,

da riaht se Gaejd - es is a Hohn:

Unsa "Wohlschtand" wogst mit jedem vom Schoon.

 

Koa Mensch braucht Waffn, a oita Huat,

und s Militäa is zu goa nix guat.

So kannt ma moin - doch weit gfaejht:

Am bessan is, wenns brennt die Waejd!

Grod a Dumma moant a Kriag is schlecht,

denn da Voikswirtschaft kimmt jeds Moadn recht.

Da riaht se Gaejd, es is a Hohn:

Unsa "Wohlschtand" wogst mit da Hehng vom Schoon.

 

Wenn a Fluigzeig aafn Reakta foit,

und a Supagau durch Europa roit.

Wenn d Chemiefabrik a wenig explodiad,

und s Gift uns in da Nahrung iat,

dann moant a Dumma, des waar schlecht,

doch da Voikswiatschaft kimmt des grod recht.

Da roint da Rubl! Es is a Hohn:

Doch unsa "Wohlschtand" wochst mit jedem Schoon.

 

Wenn d Doktan bei uns owei mehr vodean,

hoißt des grod, dass ma mia owei kranka wean.

Wenn bei de Apotheka da Umsatz schteigt,

is mit unsana Gsundheit goa ned weit.

Da kannt ma moana, des war schlecht,

doch da Voikswiatschaft kimmt jeds Leidn recht!

Denn da riaht se Gaejd - es is a Hohn:

Unsa "Wohlstand" schteigt mit jedem Schoon!

 

Ja ja ja, drum hamma uns brav in die Händ eigschpuckt

und schteigadma s Bruttobrutalprodukt!

Ja ja ja samma denn scho oizamm voruckt?