Ich weiß, was wahr scheint

Opus 374/ 1989

 

Dieses Lied hat sich von selber geschrieben, ich bin mir nur wie das Werkzeug vorgekommen, das den Stift führt. Nach Monaten der Enthaltsamkeit in Sachen Liederschreiben überfiel mich urplötzlich am späten Abend, als alle schliefen, die alte Lust, und ich setzte mich vor das leere Blatt Papier. Ohne Absicht und ohne Vorsatz, ja ohne Überlegung,  flossen mir die Worte geradezu aus der Hand. Dass es wieder einmal ein schriftdeutscher Text geworden war, entsprach meiner damaligen Stimmung.

 

Ich weiß, was wahr scheint ist oft Lüge

und was warm scheint ist oft kalt,

und wenn es oft besonders still ist,

es kurz darauf besonders knallt.

 

Was klug sich anhört ist es oft nicht,

und nicht nur Bälle allein sind hohl,

und nahrhafter als Zuckerwerk

sind Rüben und gemeiner Kohl.

 

Darum Freund, prüfe immer,

was dir nützt und was Wert hat.

Prüf die Dichte, denke selber,

schau genau und wäge ab.

 

Doch laß auch manchmal

Krummes grad sein,

bedenke deine kurze Zeit!

Das Schmale wird nicht mehr,

wenn du es mit Müh klopfst breit.

 

Jage nicht nach deinem Schatten,

streck dich nach den Sternen nicht!

Alles Glück liegt vor den Füssen,

genieß die Menschen und das Licht.

 

Hab mich die meiste Zeit im Leben

wohlgefühlt, ach, mir ging´s gut!

Hat Frau und Kinder und auch Arbeit,

hab gut gegessen und geruht.