Sie kommen aus dem Morgenland

Opus 083/ 1976

 

Seit ich denken kann verabscheue ich Deutschtümelei. Was habe ich mich immer geschämt für manche Landsleute, wegen ihrer geringschätzigen und bösen Reden gegen Ausländer! Doch ich fühle auch mit den alten Kreuzbergern, denen mit den billigen Arbeitskräfte aus Anatolien die Löhne gedrückt wurden oder die ganz ihren Job verloren ha­ben, ja auch ihre Wohnung, ihr heimatliches Viertel, ihre Wurzeln. Nun leben sie im betonierten Elend der Trabantenvorstädte und in ihre alten Wohnungen ha­ben die Hauseigentümer fremde Menschen gepfercht. Der Kapitalismus, so las ich, braucht immer eine Re­servearmee an Arbeitskräften, damit die Arbeiter ja nicht übermütig werden und ihre Löhne bescheiden bleiben. So ist es natürlich klar, dass sich nicht die deutschen Arbeiter die ausländischen Konkurrenten ins Land geholt haben, sondern die Unternehmer und ihre bezahlten Politiker. Wenn ein Ar­beiter dagegen schimpft, meist schimpft er wegen sei­nes geringen politische Durchblickes gegen die Frem­den und nicht gegen die Fabrikanten, dann ist er ausländerfeindlich, ja, am Ende gar ein Nazi. Und die wohlhabenden Bürger und Akademiker? Die verachten den Proletenneid und überschlagen sich in Verständnis und Toleranz. Schon ihre Bezeichnung „Gastarbeiter“ ist bezeichnend für die ganze Heuchelei... Nein, ihnen sind die Fremden keine Konkurrenten um Arbeit und Woh­nung, da tut man sich leicht mit humanitären Phrasen...

 

Sie kommen aus dem Morgenland

in unsre kalten Breiten,

bereit alles zu arbeiten

in diesen harten Zeiten.

 

Aus Anatolien, vom Bosborus

und aus dem fernen Kurdistan,

kommen Millionen von Menschen

und packen bei uns an.

 

Man sieht sie oft mit Besen

kehren unsre Städte.

Am Fließband und der Werkbank

schuften sie um die Wette.

 

Sie verkaufen sich für wenig Geld

zur Freud der Unternehmer,

ihnen sind sie Werkzeug nur,

es geht gar nicht bequemer.

 

Soviele entwurzelte Menschen!

Zu Haus nicht mehr dort und nicht hier!

Und die, die schon immer hier leben,

haben Angst um ihr altes Revier.

 

"Konkurrenz belebt das Gschäft!"

spotten die Bosse.

"Wer nicht spurt, ist schnell ersetzt!

Wir wechseln schnell die Rosse!".

 

Sie sehen nur ihren Gewinn

und handeln ganz ungeniert,

dass sie mit Menschen spielen,

hat sie nie intressiert.