6.12.06 SZ  Schieflage der Wohlstandsverteilung

Die Reichen werden noch reicher

Den reichsten zwei Prozent der Weltbevölkerung gehört das halbe Privat-Vermögen rund um den Erdball.

Von Gerd Zitzelsberger

Zwei Prozent der Bevölkerung gehört das halbe Weltvermögen.

Reichtum ist relativ: Ersparnisse von 46.000 Euro genügen hierzulande mittlerweile kaum noch als Zubrot zur Rente. Aber im internationalen Vergleich reichen 46.000 Euro bereits, um zu den wohlhabendsten zehn Prozent der Weltbevölkerung zu gehören.

Die privaten Vermögen sind noch weit ungleicher verteilt als die Einkommen, diagnostiziert die internationale UN-Forschergruppe Unu-Wider. Die vier Wissenschaftler haben am Dienstag in London erstmals eine Analyse der weltweiten Vermögensverteilung vorgelegt.

Millionen von Millionären

Eines ihrer Ergebnisse: Es gibt inzwischen Millionen von Millionären - schätzungsweise 13,6 Millionen, auf Dollar-Basis gerechnet. Um zu den oberen 15.000 der Weltbevölkerung zu gehören, muss man aber schon ein Netto-Vermögen von 100 Millionen Dollar aufbringen. Immerhin 500 Personen kommen mit einer Milliarde Dollar an die Bill Gates- und Roman Abramowitsch-Klasse heran, so die Wissenschaftler.

Die Zahlen der Studie beziehen sich auf das Jahr 2000. Inzwischen, schätzt Davies, dürfte sich das Vermögen per saldo noch stärker in den Händen weniger konzentriert haben, und die Ungleichheit nahm weiter zu.

Aufholtendenzen in Indien und China

Zwar gebe es durch den Wirtschaftsboom in Indien oder China dort eine Tendenz zu einer gleichmäßigeren Vermögensverteilung, so der UN-Wissenschaftler. Aber gleichzeitig nehme die Ungleichheit innerhalb der großen Industriestaaten weiter zu, und dieser Effekt falle stärker ins Gewicht.

Als eine wichtige Ursache für die Vermögenskonzentration nennt Davies die Steuerpolitik. Seit Mitte der achtziger Jahre verringere sich in vielen Staaten die Abgaben-Belastung der Reichen und Superreichen. Auch der weltweite Konjunkturaufschwung der vergangenen Jahre habe dazu beigetragen: In solchen Phasen weitet sich der Anteil der Unternehmens-Gewinne tendenziell zu Lasten des Lohnanteils aus.

Die Gewinne aber kommen nicht so sehr der breiten Bevölkerung, sondern der besitzenden Schicht zugute. Eine Rolle bei der zunehmenden Ungleichheit spiele auch die Deregulierung der Finanzmärkte.

Dennoch redet Davies nicht der Rückkehr zu einer stärkeren Steuerbelastung der Reichen das Wort. Der Schlüssel zu einer gleichmäßigeren Vermögensverteilung, so zeige etwa das Beispiel Japan oder Kanada, liege bei einem einheitlich guten Bildungsangebot für die Kinder aus allen Schichten.

Deutschland auf Platz 29 im Vermögensbericht

Gemessen am durchschnittlichen Pro-Kopf-Vermögen der (erwachsenen) Bevölkerung rangiert Deutschland der Studie zufolge auf Platz 29. Nach Abzug der Schulden kamen die Deutschen im Jahr 2000 - nach Kaufkraft umgerechnet - auf 89.000 Dollar.

Das höchste Durchschnittsvermögen schreiben die Wissenschaftler den Einwohnern Hongkongs mit 202.000 Dollar zu. Die Besitzenden dort profitieren nicht zuletzt von der Einwanderung, die zu einem Boom bei Immobilienpreisen geführt hat.

Reich geworden sind dank EU-Institutionen und dem Status als Steueroase auch die Bürger Luxemburgs - noch in den sechziger Jahren ein Armenhaus Europas: Im Schnitt verfüge dort jeder Erwachsene über 183.000 Dollar, geht aus der Studie hervor.

Taiwanesen haben mehr Vermögen als die Deutschen

Selbst Taiwanesen, Zyprioten und Grönländer haben demnach ein höheres privates Netto-Vermögen als die Deutschen. Bei letzteren allerdings wurde - früher zumindest - das relativ niedrige private Vermögen durch vergleichsweise hohe Ansprüche an die Rentenversicherung ausgeglichen.

Unter den großen Industriestaaten liegen die USA mit 144.000 Dollar vorne. 22 Prozent des weltweiten Privatvermögens gehören Amerikanern. Auf Platz zwei liegt Japan mit einem Anteil von 15 Prozent. Das Durchschnittsvermögen dort beträgt zu Kaufkraft umgerechnet 125.000 Dollar. Das Beispiel Japan zeigt auch, dass hohes Vermögen und eine relativ gleichmäßige Verteilung des Wohlstandes durchaus einhergehen können.

(SZ vom 06.12.2006)