Kommentar zum G20-Treffen in PittsburghEin Gipfel des Selbstbetrugs
Von Ralph Sina, WDR-Hörfunkstudio Washington
Pittsburgh war der Gipfel der Selbstzufriedenheit. Zufrieden mit sich sind zum Beispiel die Bundeskanzlerin und der Bundesfinanzminister, weil sie es im Mutterland des Turbokapitalismus geschafft haben, einige neue Finanz-Leitplanken einzuziehen - im Abschlusskommunique von Pittsburgh. Die Banken sollen mehr Notgroschen vorhalten. Und die Hütchenspieler der Wall Street sollen nicht mehr ganz so millionenschwer belohnt werden für ihre computergestützten Tricks. Das hören Steuerzahler und Bankkunden gern - in Deutschland, in Europa und auch in Amerika. Transatlantische Zufriedenheit war also angesagt. Etwas mehr Rampenlicht für die ärmeren Gäste Auch die ärmeren Gäste des G20-Gipfels waren zufrieden, weil sie in Zukunft etwas mehr mitbestimmen dürfen bei Weltbank und internationalem Währungsfond. Und weil sie dank des G20-Gipfels das Gefühl haben, ab sofort häufiger im Rampenlicht der Weltbühne zu stehen - und von den ganz Grossen etwas ernster genommen zu werden. Höchst selbstzufrieden war auch der Mann, der die kürzeste Anreise nach Pittsburgh hatte. Barack Obama musste wenigstens für einige Stunden das Wort "Gesundheitsreform" nicht in den Mund nehmen. Und er musste auch nicht ständig den Afghanistan-Krieg verteidigen. Stattdessen konnte er den Iran mit seiner nuklearen Aufrüstung auf die internationale Anklagebank setzen und Russen und Chinesen kurzerhand ins potentielle Sanktionsboot holen. Es war ein Meisterstück Obamascher Gipfeldramaturgie, den Atomsünder Iran während des G20-Theaters höchst medienwirksam vorzuführen. Alle haben sich vorteilhaft in Szene gesetzt "It worked - es hat funktioniert" lautet kurz und bündig einer der Punkte im Abschlussprotokoll von Pittsburgh. Gemeint ist damit eigentlich das billionenschwere Rettungspaket für die Weltwirtschaft. "Es hat funktioniert" könnte aber auch die Generalüberschrift des Gipfels in Pittsburgh sein. Alle Akteure haben sich vorteilhaft in Szene gesetzt. Niemand musste Federn lassen, niemand schmerzhafte Kompromisse eingehen. Ein kleiner erhobener Zeigefinger Richtung Banken und Bankmanager - das war's. De facto können alle Finanzsünder so weiter machen wie bisher. Denn bevor die Weltwirtschaft sich nicht erholt hat, dürfen die G20-Finanzmarkt-Vorschläge nicht umgesetzt werden. Im Kern bleibt alles wie immer Und wenn sich die Weltwirtschaft erholt hat, sind die Leitsätze von Pittsburgh längst vergessen. Bereits jetzt druckt Amerikas Notenbank immer neue Dollarnoten und heizt damit die nächste Spekulationsblase an. Amerikas Banken wachsen weiter ins Hypergigantische und könnten im Ernstfall wieder nur auf Kosten des Steuerzahlers gerettet werden. Auch die berüchtigten Rating-Agenturen vergeben wie in alten Zeiten Traumnoten für hochriskante Finanzprodukte, die nur Insider verstehen. Es bleibt im Kern alles wie immer. Nur die Staatschefs haben geschworen, es werde alles ganz anders werden. Der G20-Gipfel von Pittsburgh war nicht nur ein Gipfel der Selbstzufriedenheit - sondern auch ein Gipfel des Selbstbetrugs.
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