Öl als Quelle des Trostes
Wie sich US-Konzerne den Zugriff auf die Energievorräte des Irak sichern wollen
Von Rudolph Chimelli
Im irakischen Untergrund lagern etwa fünfmal so große Erdöl-Reserven wie in den USA (112 beziehungsweise 22 Milliarden Fass). Nur die Vorräte Saudi-Arabiens und Irans sind noch umfangreicher. Irakische Nationalisten sind deshalb überzeugt, dass US-Präsident George W. Bush, wenn er schon den Krieg nicht gewinnen kann, den Ölgesellschaften seines Landes wenigstens den Zugriff auf die Reserven des Irak sichern will. Instrument dafür ist das Erdölgesetz, an dessen Ausarbeitung Amerikaner maßgeblich beteiligt waren. Seit mehr als einem Jahr dringt Washington auf dessen Verabschiedung, konnte aber den Widerstand in Bagdad bisher nicht überwinden. Stein des Anstoßes ist, dass laut Gesetzentwurf überall dort, wo noch keine Schürfrechte für Öl oder Gas vergeben sind, die Nationale Irakische Ölgesellschaft oder andere irakische Firmen zugunsten ausländischer Gesellschaften ausgeschlossen bleiben sollen. Derzeit bemühen sich 70 ausländische Unternehmen um Konzessionen. Diese sollen für 35 Jahre gelten, wobei der Gewinntransfer ins Ausland unbegrenzt gestattet würde. Irgendeine Verpflichtung zur Re-Investition im Irak würde nicht bestehen. Der größte Teil der begehrten Vorkommen liegt im Süden um Basra. Auch dort, wo die Nationale Gesellschaft bereits fördert, sollen die Ausländer Zugang zur Vermarktung erhalten. Den Irakern würde unter dem Strich nur der geringere Teil der Erlöse aus Öl und Gas verbleiben. Über die Vergabe von Konzessionen und den Inhalt der Verträge würde nach Gesetz ein Iraqi Federal Oil and Gas Council entscheiden. In ihm hätten jedoch die Multis eine Mehrheit und könnten die irakischen Vertreter jederzeit überstimmen. Kein Opec-Land würde sich im 21. Jahrhundert, unabhängig von seiner politischen Orientierung, auf derartige Souveränitätsbeschränkungen und auf eine vergleichbare Form kolonialer Ausbeutung einlassen. Indessen besteht zudem das Problem der Verteilung der Erdöleinnahmen auf die drei großen Volksgruppen des Irak: die Kurden im Norden, für die ihre autonome Regierung auch das Ölgebiet von Mosul reklamiert, wogegen sich wiederum die dort lebenden Araber und Turkmenen sträuben, letztere mit gewisser Ermutigung durch Ankara; die Schiiten im Süden, wo sich die meisten Ölquellen befinden; und die Sunniten im Zentrum des Irak, das keine solchen Ressourcen hat. Die im Gesetz vorgesehene Lösung geht davon aus, dass die Erdöleinnahmen auf die 18 Provinzen des Irak, jeweils nach der Einwohnerzahl verteilt werden soll.
Die dubiosen Einnahmen der Provinzgouverneure Die Provinz-Gouverneure und deren häufig korrupte Apparate hätten jedoch bei Vereinbarungen mit den Ölgesellschaften und der Verwendung der Einnahmen mitzureden. In Kurdistan geschieht das schon längst. Die autonome Regierung hat bereits viele Konzessionen an Multis vergeben. Daraus ergibt sich ein Dauerkonflikt mit der Zentralregierung, die theoretisch in jedem Fall ihre Zustimmung erteilen muss. Auch in der entscheidenden Verteilungsfrage soll das Oil and Gas Council das letzte Wort behalten. Die Erdölförderung im Irak beläuft sich derzeit auf fast 2,5 Millionen Fass pro Tag. Vor dem ersten Golfkrieg von 1990 waren es 3,5 Millionen Fass. Wie es heißt, wäre dieser Stand mit relativ geringen Investitionen wieder zu erreichen. Doch das allgemeine Misstrauen verhindert vieles. Fünf Prozent der irakischen Öleinnahmen versickern angeblich in Korruptionskanälen.
Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.67, Mittwoch, den 19. März 2008 |