Feueralarm unter der Erde
In China brennen riesige Kohleflöze und bedrohen Großstädte - deutsche Forscher sollen beim Löschen helfen
Unter China brennt es. An einigen Orten schlagen Flammen aus dem Boden. Rauchsäulen steigen weit sichtbar in den Himmel. Schwefelgeruch legt sich über Landschaften. Die Brandherde sind bekannt: Kohleflöze, die weit unter der Erde liegen. Teilweise sind die Spalten, in denen das Gestein glüht, mehr als 100 Meter tief. Regionen von der Größe deutscher Bundesländer sind in China von Bränden unterwandert - einige lodern seit Jahrhunderten. Die Flammen untergraben auch Städte, zudem fangen regelmäßig Wälder und Wiesen Feuer.
Jüngst meldete China Fortschritte im Kampf gegen die unterirdischen Feuer: Zwei der größten Kohlefeuer des Landes seien gelöscht wurden, erklärten die Behörden im November. Doch nun warnen Experten, dass sich diese Flöze wieder entzünden könnten. In Kooperation mit deutschen Wissenschaftlern wird nun in China nach neuen Strategien gesucht, wie sich die Brände kostengünstig und effektiv löschen lassen.
Die Kohlefeuer in China gelten als eine der größten ökologischen Katastrophen der Welt. Jährlich verbrennen dort rund 25 Millionen Tonnen Kohle, schätzen Fachleute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR. Das entspricht der jährlichen Kohleförderung Deutschlands. Die Kohle in der Umgebung der Brände wird unbrauchbar. Jährlich gingen in China rund 200 Millionen Tonnen für den Abbau verloren, berichtet Christian Fischer vom DLR. Die Feuer setzen gewaltige Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) frei: einer Rechnung zufolge jährlich etwa so viel wie der gesamte deutsche Straßenverkehr. Pessimistische Schätzungen veranschlagen die CO2-Menge sogar deutlich höher. Drei Prozent des menschengemachten CO2-Ausstoßes würden von den chinesischen Kohlebränden freigesetzt, sagt der Geologe Glenn Stracher vom East Georgia College in den USA. "Die Zahlen sind aber sehr unsicher", sagt Stefan Voigt vom DLR, "wie viel CO2 entsteht, lässt sich nur schwer ermitteln."
Nicht nur China trägt auf diese Weise zur Erderwärmung bei, auch in anderen Ländern schwelen Kohleflöze. Besonders Indien, Indonesien und die USA sind betroffen. In Australien lodert ein Kohlefeuer offenbar seit 6000 Jahren. Der Brennende Berg von Dudweiler im Saarland ist seit Goethes Zeiten eine Touristenattraktion. Im US-Bundesstaat Pennsylvania musste die Stadt Centralia aufgegeben werden, weil sie von einem Kohlebrand unterwandert worden war.
Anderen Städten Pennsylvanias droht das gleiche Schicksal. Die Bewohner von Uniontown können ein unterirdisches Feuer, das näher kommt, bereits riechen, und die Wiesen wölben sich dort aufgrund der Hitze. Hinter den Gärten steigen Dämpfe auf. Mehrere Meter im Jahr fressen sich die Kohlebrände durch den Untergrund. Auch die Großstadt Jharia in Indien wird von einem Kohlebrand bedroht, der seit knapp 100 Jahren lodert. Im Nordosten Indiens schwelen inzwischen 70 Kohlebrände; Hunderttausende Bewohner sind in Gefahr.
Bagger tragen Berge ab
Manche Kohlefeuer sind natürlichen Ursprungs, die meisten haben jedoch Menschen entfacht. Zumeist merken die Brandstifter nichts von ihrer Tat. Denn sie schaffen nur die Voraussetzungen, die nach einer Weile Feuer auslöst: Kohle kann sich selbst entzünden. In Kontakt mit Sauerstoff vollziehen sich chemische Reaktionen, bei denen Wärme freigesetzt wird. Staut sich die Hitze auf über 80 Grad, bricht Feuer aus.
Sorgen Menschen also dafür, dass Sauerstoff oder Hitze an Kohleschichten gelangen, droht Feuer. Zigarettenkippen, Schweißarbeiten und Müllverbrennung haben Kohlebrände ausgelöst. Beim Bergbau kann durch Spalten Sauerstoff an die Kohle strömen und die Feuer entfachen. Um die Gefahr zu bannen, werden Kohleminen "bewettert": Abluft sorgt dafür, dass sich die Grube nicht über den kritischen Wert aufheizt.
Diese Vorsichtsmaßnahme wird jedoch insbesondere in China häufig versäumt. Dort graben viele Menschen illegal nach Kohle. "Der Krabbel- und Wühlbergbau verursacht die meisten Kohlefeuer", berichtet Fischer. Ein lohnendes Geschäft: "Abnehmer für den Rohstoff gibt es an jeder Ecke." Haushalte benötigen Kohle zum Heizen. Viele Privat-Bergbauer fahren ihre Kohle zu Kraftwerken, um sie dort zu verkaufen. Der Staat scheint machtlos zu sein. "Sobald die Kontrolleure aus der Kohlegrube verschwunden sind, kehren die Wühlbergbauer zurück", berichtet Voigt. Dabei hat China großes Interesse daran, die Feuer einzudämmen. Der hohe Energiebedarf des Landes verpflichtet zur Schonung der Ressourcen.
Mit Hilfe deutscher Wissenschaftler versuchen Ingenieure unter immensem Aufwand und hohen Kosten, die Feuer in China zu löschen. Das ist schwierig, denn die Kohlevorkommen sind riesig. Die meisten Feuer schwelen in der nördlichen Provinz Xinjiang, die viermal so groß ist wie Deutschland. Im November meldeten die Behörden einen Durchbruch: Zwei der Brände in Xinjiang seien gelöscht worden, einer schwelte seit 130 Jahren.
Jahrelang kämpfte das "Xinjiang Coalfield Firefighting Project Office" gegen die Feuer. Arbeiter mussten regelrecht Berge versetzen. Mit Sprengungen und Baggern wurden Brandherde ausgeräumt. Dann bohrten Ingenieure perforierte Rohre in den Boden, in die sie Wasser pumpten, um Hitze aus dem Untergrund abzuleiten. Schließlich wurde dem Feuer die Sauerstoffzufuhr abgeschnitten. Bagger warfen massenhaft Sand und Erde auf die offenen Erdspalten.
Waren die jüngsten Erfolge der Durchbruch im Kampf gegen Chinas Feuergeschwüre? Nein, meinen Maohua Zhong und Tairan Fu von der Chinesischen Akademie für Sicherheitstechnologie in Peking. Sie befürchten, dass die Brände wieder aufflammen könnten. Die Maßnahmen der Behörden seien zu lasch: "Die chinesische Regierung sollte unkontrollierten Bergbau verbieten", schreiben die Experten nun im Wissenschaftsmagazin Nature (Bd. 451, S. 16, 2008). Zudem müssten Überwachungsanlagen installiert werden, um neue Brandherde umgehend ersticken zu können.
Deutsche Experten sind an der Entwicklung solcher Systeme beteiligt. Satelliten, Infrarotkameras und Stechsonden etwa sollen bedrohliche Hitzeareale im Untergrund orten, Sensoren die elektrische Leitfähigkeit des Bodens messen, um die Ausbreitung eines Feuers unter der Erde nachzuvollziehen. "Doch die Messungen nutzen wenig, solange nicht verstanden ist, auf welche Weise die Feuer fortschreiten", sagt Stefan Voigt.
Die deutschen Forscher entwickeln Computermodelle, die das Ausbreiten von Kohlebränden simulieren sollen. Die Rechnungen könnten ein bedeutendes Rätsel lösen: Wie viel Treibhausgas setzen die Kohlebrände tatsächlich frei? "Die Menge hängt beispielsweise davon ab, wie effizient die Kohle verbrennt und wie sich Temperaturen und Kohleschichten in der Tiefe verändern", sagt Fischer.
Auch für den geplanten weltweiten CO2-Handel dürften die Modellierungen von großem Wert sein. Unternehmen sollen mit dem CO2-Handel gezwungen werden, das Treibhausgas einzusparen. Für manche Firmen könnte es sich lohnen, ihre CO2-Bilanz aufzubessern, indem sie Kohlebrände in China löschen, meint Voigt. "Das kostet in manchen Fällen vermutlich weniger als die CO2-Reduktion in deutschen Betrieben." Auf diese Weise gewännen beide Seiten: deutsche Unternehmen, weil sie Geld sparen, und China, weil seine Kohleressourcen nicht weiter abbrennen.
Ein Panzer über die Glut
Der Kampf gegen das Feuer ist in China jedoch besonders kompliziert, weil das Land nicht über moderne Löschtechnologie verfügt. In den USA etwa pumpen Arbeiter selbsthärtenden Schaum in die Erde, der sich wie ein Panzer um die Glut legt und sie erstickt. Doch der Löschschaum ist teuer. Deutsche Ingenieure von der Technischen Universität Freiberg entwickelten derzeit eine kostengünstige Variante, berichtet Fischer. Sie verwendeten dafür Flugasche, die in chinesischen Kohlekraftwerken zuhauf anfällt. In Verbindung mit einer Kunststoffpaste soll ein Schaum entstehen, der die riesigen Kohlefeuer unter der Erde besiegen soll. AXEL BOJANOWSKI
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.14,
Donnerstag, den 17. Januar 2008
, Seite 16