29.02.2004
Artikel
Der arme Vater Staat hat außer fürs Militär auch Milliarden für die Kirchen
Im Jahr 2002 betrugen die größten Subventionen und Steuerbegünstigungen (Angaben gerundet)1:
9,5 Mrd. Eigenheimzulage 6,3 Mrd. Steuerermäßigung für Diesel 3,5 Mrd. Pendler-Pauschale 3,4 Mrd. Subvention der evangelischen und der katholischen Kirche 3,2 Mrd. Steuerbegünstigung von Strom für bestimmte Unternehmen 2,9 Mrd. Steinkohle-Subvention 2,0 Mrd. Steuerbefreiung der Zuschläge für Nachtarbeit 1,2 Mrd. Subventionierung der Atomenergie 0,9 Mrd. Subventionierung des Flugverkehrs 0,7 Mrd. Agrar-Subvention
Bei den 3,4 Milliarden Kirchen-Subvention ist hier allein der staatliche Anteil an den Kirchensteuer-Einnahmen berücksichtigt. (Über weitere indirekte Kirchen-Subventionen ist weiter unten Nähres zu erfahren.) Für 2004 prognostiziert das Bundesfinanzministerium sogar die Rekordsumme von 3,750 Milliarden Euro2 an direkter Kirchen- Subvention. Der Mehrheit der Deutschen ist dies allerdings völlig unbekannt, da die Kirchen mit großem Erfolg die Mär von ihrer eigenen Verarmung unters Volk streuen. Diejenigen, die über die gigantische Staatsfinanzierung der Kirchen Bescheid wissen, meinen wiederum überwiegend, das Geld käme hierbei wenigstens einem sozialen Zweck zu Gute...
"Vielfach geht man von falschen Tatsachen aus und operiert mit Scheinargumenten. So wird der Kirche immer wieder unterstellt, sie benötige die Kirchensteuer, um ihre umfangreiche Sozialarbeit zu finanzieren. Die Gegner der Kirchensteuer haben mit diesem Argument leichtes Spiel, weil es in der Tat nicht stimmt und meines Wissens auch noch nie von einem Kenner der Sache so vorgetragen worden ist. Wie wird die Sozialarbeit der Kirche tatsächlich finanziert, und welche Rolle spielt dabei die Kirchensteuer? Die meisten Sozialeinrichtungen 'verdienen' die Mittel, die sie benötigen, als Leistungsentgelte und die Finanzierung ist durch staatliche Kostenträger weithin gesetzlich geregelt." Dr. Norbert Feldhoff, Generalvikar des Erzbistums Köln, ehemaliger Caritasdirektor 3
Tatsächlich sieht es auf der Einnahme-Seite der beiden staatlicherseits alimentierten Großkirchen wie folgt aus:
Kirchensteuereinnahmen im Jahre 2002: 8,4 Milliarden Euro - davon tragen die Kirchenmitglieder: 5,05 Milliarden Euro - davon trägt der Staat*: 3,35 Milliarden Euro (Dies entspricht 39,9 Prozent) * aus allgemeinen Steuergeldern
Die Subvention von rund 3,4 Milliarden Euro wird also von allen SteuerzahlerInnen, ob muslimisch, atheistisch, frei-christlich oder wie auch immer orientiert, bezahlt.
Auf der Ausgaben-Seite ergibt sich nach kirchlichen Angaben (!) folgendes Bild:
Pfarrer u.a. kirchl. Personal: 60-70 % (katholische K.: knapp 60%; ev. K.: über 70%) Sachkosten, Verwaltung: ca. 10 % Kirchenbauten: ca. 10 % (katholische K.) "Schule und Bildung": ca. 10 % (katholische K. / ev. K.: für beide Bereiche insgesamt nur ca. 10%) "Soziales und Caritatives": ca. 10 %
Hier könnte nun der Eindruck entstehen, die beiden Großkirchen würden tatsächlich einen erheblichen Anteil ihrer finanziellen Mittel für soziale Aufgaben einsetzen. Tatsächlich sind es jedoch:
Bei der katholischen Kirche: 8 - 9 % Bei der evangelischen Kirche: 6 - 7 %
Dies funktioniert so: Bei Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft lassen sich die beiden Großkirchen einen Gutteil der entstehenden Kosten durch öffentliche Zuschüsse finanzieren:
Kosten-Anteile bei Kindergärten Land und Kommune: 75 - 80 % Elternbeiträge: 15 % Kirche: 10 %
Kosten-Anteile bei Schulen (in Bayern) öffentlicher Anteil: 90 % (Grund-, Haupt- und Sonderschulen 100%) Kirche: 10 %
Kosten-Anteile bei Krankenhäusern öffentlicher Anteil: 100 % (durch Kassensätze; Investitionen zu 100% vom Staat) Kirche: Null %
Kosten-Anteile bei Altenheimen öffentlicher Anteil: 100 % Kirche: Null %
Doch selbst kircheneigene Aufgaben lassen sich die beiden Großkirchen von der öffentlichen Hand finanzieren. So akzeptieren sie ungeniert, daß beispielsweise der Religionsunterricht an öffentlichen Schulen bundesweit mit jährlich rund 2.400 Millionen Euro auch von Moslems oder Atheisten bezahlt wird. Ebenso die Priester- und Theologenausbildung an Universitäten sowie den Unterhalt der kirchlichen Fachhochschulen in Höhe von insgesamt rund 600 Millionen Euro pro Jahr. Zu allem Überfluß kassieren sie zudem jährlich Staatszuschüsse aufgrund von Konkordaten und Kirchenverträgen in Höhe von rund 700 Millionen Euro. Ja, sogar die Seelsorge an öffentlichen Einrichtungen (Militär, Polizei, Gefängnis, Anstalten) lassen sie sich mit jährlich rund 70 Millionen Euro vergüten. Damit nicht genug bezahlen Bund und Länder auch den Denkmalschutz für Kirchenbauten in Höhe von jährlich rund 140 Millionen Euro. Und auch die Kosten rein kirchlicher Sendungen bei den öffentlichen Rundfunkanstalten in Höhe von jährlich rund 150 Millionen Euro bezahlen weder die katholische noch die evangelische Kirche.
Bei all dem ist noch gar nicht einberechnet, was die Kirchen durch Zuschüsse von Kommunen, Kreisen, Bezirken, der Bundesanstalt für Arbeit (ABM-Stellen) und vom Bundesamt für den Zivildienst einsacken. Die kirchlichen Wohfahrtsverbände sparen durch den Einsatz von Zivis, die überwiegend öffentlich finanziert werden, jedes Jahr Milliarden ein. Überdies kommen dann noch die versteckten Zuschüsse in den kommunalen Haushalten hinzu. Allein diese Subventionen durch die über 15.000 Kommunen werden auf über 5 Milliarden Euro geschätzt. Die Einnahmen der beiden Großkirchen betragen also insgesamt weit mehr als das Doppelte der Kirchensteuer. Nach einer Untersuchung von Carsten Frerk4 beträgt die Gesamtsumme der heimlich-öffentlichen Kirchen-Subvention rund 20 Milliarden Euro pro Jahr - fast soviel wie der Etat des Bundeshaushalts für das Militär. Dem steht weniger als eine Milliarde gegenüber, die die beiden Großkirchen aus eigenen Mitteln für soziale Dienste oder Einrichtungen aufbringen.
Nun wird ja schon seit einiger Zeit von der "Konsolidierung der Staatsfinanzen" geredet. Der "arme Vater Staat", der sich künstlich durch Verschenken von Steuereinnahmen in eine Situation knapper Staatsfinanzen gebracht hat, will weiter "einsparen". Mit Hilfe der Hartz-Gesetze und der "Agenda 2010" wird massiver Sozialabbau betrieben und der "kleine Mann" muß bluten. Doch immerhin konnte der Subventionsabbau nicht ganz aus der öffentlichen Debatte heraus gehalten werden. Die Rede ist davon, daß auch "heilige Kühe" geschlachtet werden müßten. Doch keine der im Bundestag vertretenen Parteien wagt sich an die Kirchen-Subvention heran.
Dabei widerspricht die Subventionierung der beiden Großkirchen ganz klar dem Grundgesetz. "Es (das Grundgesetz) verwehrt die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersagt auch die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse (...)."5, so das Bundesverfassungsgericht in seinem ständige Rechtsprechung gewordenen Grundsatz zur weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates. Explizit sind in keiner verfassungsrechtlichen Norm finanzielle Leistungen an Religionsgemeinschaften vorgesehen. Es werden zwar verschiedene geldwerte Vorteile eingeräumt, wie das Recht der Kirchensteuer- erhebung in Artikel 137 VI WRV (jedoch keineswegs, wie häufig fälschlich behauptet, der staatliche Kirchensteuereinzug). Rechtliche Grundlage der rund 3,4 Milliarden staatlichem Anteil an der Kirchensteuer (im Jahr 2002) ist übrigens die Regelung über Sonderausgaben im Einkommensteuergesetz (§ 10 Abs.1 Nr. 4). Im Gegensatz zu Spenden für bestimmte steuerbegünstigte Zwecke - unter anderem auch für kirchliche (!) - die nur in gewissen Grenzen berücksichtigt werden, ist die gezahlte Kirchensteuer in voller Höhe vom zu versteuernden Einkommen absetzbar.
Einen enormen Schub erfuhr die öffentliche Debatte über den "zur Haushaltskonsolidierung nötigen Subventionsabbau" durch den von den Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) am 30. September 2003 vorgelegten gemeinsamen Vorschlag. Doch obwohl in der Folgezeit in den Massenmedien auf die eine oder andere Weise der Umfang der deutschen Subventionspraxis dargelegt und die Problematik einzelner Subventionen angeschnitten wurde, kam die Kirchen-Subvention kaum je zur Sprache. Im Koch-Steinbrügge-Papier wird die "Sonderausgabe" der Kirchen-Subvention zwar ausdrücklich erwähnt, deren Begrenzung jedoch umgehend verworfen.
Und auch bei den Parteien genießt die Kirchen-Subvention eine nahezu unangefochtene politische Zustimmung. In den zehn Leitsätzen6 des Bundesvorstandes der CDU, die auf Friedrich Merz zurückgehen, ist folgendes zu finden: "... Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen werden in Form persönlicher Abzüge zusammengefasst und reduziert. Für steuerbegünstigte Zwecke bleibt ein Spendenabzug für mildtätige, kirchliche, religiöse, wissenschaftliche und gemeinnützige Zwecke grundsätzlich erhalten... " Daß dies den Erhalt der Kirchen-Subvention bedeutet, soll der Laien selbstverständlich nicht erkennen. Der von der FDP-Fraktion in den Bundestag eingebrachte Entwurf eines neuen Einkommensteuergesetzes enthält die Bestimmung: "Als Sonderaufwendungen in voller Höhe abziehbar sind folgende im Jahr der Veranlagung gezahlten Beträge: Kirchensteuern und vergleichbare Beiträge zu inländischen Religionsgemeinschaften."7 Und das Positionspapier der "grünen" Bundestags-Fraktion thematisiert die Kirchen-Subvention überhaupt nicht.8
Es ist also kaum zu erwarten, daß sich an diesem (Unrechts-) Zustand etwas ändert, solange dieser Staat besteht. Im Gegenteil bestätigt die gegenwärtige Entwicklung das alte Sprichwort: "Der Teufel scheißt immer auf die größten Haufen." Nur ein radikaler gesellschaftlicher Wandel, der auch den wirklichen Christen erlaubt, ihre Mittel für christliche Zwecke einzusetzen, wird gerechte und soziale Verhältnisse schaffen können.
Adriana Ascoli
Anmerkungen:
1 Siehe hierzu unseren Artikel 'Verschämt verschwiegen ... - Die Subventionen für Atomenergie, Auto, Flugzeug u.s.w' v. 16.09.03
2 19. Subventionsbericht der Bundesregierung vom 1.10.2003, S. 113
3 Kirchenzeitung des Erzbistums Köln, 21.9.90
4 Frerk, Carsten 'Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland', Aschaffenburg 2002
5 BVerfG vom 14.12.1965 in BVerfGE 19, S. 216
6 'Ein modernes Einkommensteuerrecht für Deutschland', Bundesvorstand der CDU vom 3. November 2003
7 'Entwurf des neuen Einkommensteuergesetzes' der FDP-Fraktion vom 14.1.2004
8 Weder in dem Diskussions- und Informationspapier von Katrin Göring-Eckhardt, Krista Sager, Reinhard Loske und Fritz Kuhn vom 5.Mai 2003 noch in dem Papier der "grünen" Bundestagsfraktion vom 18.12.2003 (www.gruene-fraktion.de) wird die Kirchen-Subvention thematisiert. |