Leserbrief in der PNP vom 13.1.06
Kein Depperldeutsch
Zum Bericht "Dialekt darf Kindern nicht ausgetrieben werden“ vom 7. Januar:
"Eine mediterran inspirierte, sehr europäische Sprache ist das Bairische, kein provinzielles Depperldeutsch. Knapp ein Fünftel aller Deutschsprachigen sind im bairischen Dialektraum daheim. Das im Rest der Republik als ulkig oder minderwertig qualifizierte Sepplidiom gehört zu den ältesten Sprachen Europas. Es hat wie keine andere in Deutschland nicht nur Worte des Gotischen bewahrt, sondern zeigt auch im alltäglichen Gebrauch seine antiken Wurzeln. Ein überwiegender Teil der frühesten Zeugnisse deutscher Literatur und Kultur ist in bairischer Hochsprache verfasst : das Wessobrunner Gebet, das Hildebrandslied, das Nibelungenlied. Bis zum Ausgang des Mittelalters war das Oberdeutsche -Alemannisch und Bairisch - die allgemeine Sprachnorm. Doch mit der Bibelübersetzung aus Wittenberg gewann das ,Lutherdeutsche‘ die Oberhand, das Jacob Grimm als ,protestantischen Dialekt‘ bezeichnet hat. Zur konfessionellen Konkurrenz kam die politische Feudalmanier. Der preußische Traum der Vorherrschaft über Deutschland wurde wahr. Seit einem Vierteljahrhundert findet ein galoppierender Prozess radikaler sprachlicher Verarmung und des Verschwindens heimatlicher Idiome statt: die ,Entmündigung‘ des angestammten Sprechens im oberdeutschen Sprachraum. Die Verarmung und Verschandelung unserer Sprache nimmt erschreckend zu. Das Sterben unserer Mundarten hat ein bedrohliches Ausmaß erreicht.“
Rudolf Fahrer
Förderverein Bairische Sprache und Dialekte, Deggendorf
Wichtiges Kulturgut
Zum Bericht ÆDialekt darf Kindern nicht ausgetrieben werden“ vom 7. Januar:
ÆWer Dialekt spricht, kann eine Sprache mehr. Das Sprachgefühl ist ein viel besseres, wie auch neueste Studien zeigen. Dialektsprechende Kinder haben demnach den klaren Vorteil, sich im Lernen von Fremdsprachen leichter zu tun. Zudem beherrschen sie die Rechtschreibung deutlich besser als ihre zum Hochdeutschen erzogenen Mitschüler. Schon dies allein zeigt, dass der Dialekt große Vorteile mit sich bringt. Außerdem ist der Dialekt ein wichtiges Kulturgut. Gerade er macht uns Bayern doch aus. Auf der Seite des Vereins für Bairische Sprache und Dialekte heißt es so schön: ,Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche‘. Es ist sehr schade, dass Mundart gerade auf dem Land oft so verkannt wird. Woher kommt so ein geringes Selbstbewusstsein unserer Muttersprache gegenüber? Reden sollen wir, wie uns der Schnabel gewachsen ist! Die Leute der anderen Bundesländer tun dies doch auch und dabei ist es noch lange kein ,Hochdeutsch‘, das aus ihren Mündern hervorschwallt, auch wenn sie uns das als solches verkaufen wollen. Es gibt sogar eine Wissenschaft des Dialekts. Zudem ist der bairische Dialekt nützlich und schön. Das sollten sich die zu Herzen nehmen, die für den Erhalt dessen verantwortlich sind: Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen.“
Eva Müller Bayerbach