aus: ZDF Frontal21 vom 15.5.07
Strahlende Geschäfte Die Gefahren der Computertomografie
von Andreas Halbach und Birte Meier
Immer mehr gesunde Menschen lassen sich zur Vorsorge im Computertomografen durchleuchten. Nur wenige wissen, dass sie sich dabei einer gefährlich hohen Strahlenbelastung aussetzen. Selbst Ärzte sind häufig ahnungslos. Der Blick ins Innerste ist manchem viel Geld wert. Der "Manager-Check" inklusive Computertomografie (CT) kostet in einer großen Berliner Klinik rund 1000 Euro. Sei es, um Erkrankungen frühzeitig festzustellen oder um neugierigen Kunden eine Art Dia-Show vom eigenen Körper zu erstellen - Radiologen haben die CT als lukrative Einnahmequelle auch bei kerngesunden Kunden entdeckt. Die Risiken und Nebenwirkungen werden heruntergespielt. "Insgesamt ist die Gefahr eines gesundheitlichen Schadens durch eine CT aber als gering einzustufen", deklariert zum Beispiel die Internetseite "Lungenärzte im Netz". Was ist eine Computertomografie? Die Computertomografie ist ein spezielles Röntgenverfahren, das Querschnittsbilder des untersuchten Körperteils liefert. Im modernen Computertomografen umkreist eine Röntgenröhre den Patienten spiralförmig. Dabei macht sie eine Vielzahl von Aufnahmen. Weil die Kontrastabstufung besser ist als beim herkömmlichen Röntgenbild, kann der Arzt unterschiedliche Gewebearten wie Knochen oder Muskeln besser unterscheiden. Strahlenbelastung durch CT Dabei entsteht bei einer CT eine Strahlenbelastung, die bis zu 1000-mal höher ist als bei einer herkömmlichen Röntgen-Untersuchung. Wer also ein einziges Mal ein Tomogramm seines Brustkorbs erstellen lässt, wird bestrahlt, als ob er sich jeweils morgens, mittags und abends hätte röntgen lassen - ein ganzes Jahr lang. Verkannte Gefahr Doch die Patienten verkennen die Gefahr, weil viele Ärzte die Strahlengefahr verharmlosen oder selbst zu wenig darüber wissen. Rund ein Viertel von 119 befragten Nicht-Radiologen schätzte beispielsweise die Risiken einer Herz-CT als zu niedrig ein, fanden Forscher der Universität Bochum heraus. Ihre Studie offenbart erhebliche Defizite in der ärztlichen Aus- und Fortbildung. "Das ist aus unserer Sicht besorgniserregend", so Christoph Heyer, der zuständige Radiologe von der Universitätsklinik Bochum. Zwar kann die CT in der Notfallmedizin dank präziser und schnell erstellter Bilder Leben retten. Doch die Bedingung für den Einsatz von Röntgenstrahlen ist zumindest der Verdacht auf eine Erkrankung. Bei einem reinen Gesundheits-Check ist der Einsatz des CTs deshalb gar nicht erlaubt. Generell schreibt die Röntgenverordnung vor: Der Arzt muss abwägen, ob der Nutzen einer Aufnahme den Schaden überwiegt. Professor Wolfgang-Ulrich Müller, Vorsitzender der Strahlenschutzkommission des Bundes, gibt dabei folgendes zu bedenken: Bei mehrfachen CTs könne die Strahlen-Dosis sogar zu einer statistisch nachweisbaren Erhöhung des Tumor-Risikos führen, sagt er. CT in der Vorsorge illegal So ist die Computertomografie in der Vorsorge nicht nur gefährlich, sondern auch illegal. Doch weil sich einmal gekaufte Geräte auch rentieren müssen, röntgen Ärzte trotzdem auch Patienten, bei denen dies nicht notwendig wäre, berichtet ein anonymer Arzt im Frontal21-Interview. So wird offenbar besonders bei Privatpatienten auf Kosten der Gesundheit Kasse gemacht: Ihr Anteil an der Gesamtzahl der CT-Untersuchungen beträgt laut einer wissenschaftlichen Studie 30 Prozent - privat versichert sind aber nur zehn Prozent der Bevölkerung. "Das deutet auf unnötige Untersuchungen hin. Das ist Körperverletzung", so Prof. Dr. Jürgen Fritze, leitender Arzt des Verbandes der privaten Krankenversicherung. Fraglich ist überdies der therapeutische Nutzen einiger CT-Vorsorgeuntersuchungen. In den USA haben Krebsexperten mehr als 3200 beschwerdefreie Raucher und Ex-Raucher auf Anzeichen von Lungenkrebs untersucht. Über fünf Jahre hinweg unterzogen sich die Probanden einer jährlichen CT. Das Ergebnis: Im Vergleich zum Durchschnitt wurden zwar drei mal so viele Fälle von Lungenkrebs diagnostiziert und infolgedessen zehn mal so viele Patienten operiert. Dennoch starben 38 der Probanden - statistisch gesehen wären ohne CT 39 Patienten gestorben. "In unserer Studie deutet nichts darauf hin, dass eine frühe Diagnose mit Hilfe von CT-Screening die Chance erhöht, Lungenkrebs zu überleben", so Professor Colin Begg vom Sloan Kettering-Krebs-Zentrum in New York. Statt Heilung führte die frühzeitige Diagnose nur zu mehr Operationen - und damit zu mehr Leid statt Leben zu retten.
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