Ein Plan zerschneidet eine Gemeinde

Anlieger wehren sich gegen die Neubaupläne für die Straße zwischen Langdorf und Zwiesel


Blick Richtung Königsbach, der im Tal zwischen Schwarzach und Kohlnberg fließt. Hans Wenig und Helmut Geiß wollen nicht, dass diese größte Rodungsinsel in der Gemeinde Langdorf von einem Staatsstraßenbau durchschnitten wird.  Fotos: Lukaschik

 

Langdorf. Gut, das wirkt jetzt wirklich fast kitschig: "Mei schau", sagt der vollbärtige Mann und geht auf dem Feldweg in die Knie. Behutsam drückt er das Gras zur Seite und dreht mit einer vorsichtigen Bewegung fünf "Zigeuner" aus dem Erdreich, Edel-Schwammerl. Der Himmel wölbt sich spätherbstlich blau über bayerischer Bilderbuchlandschaft, die Wiesen sind immer noch satt grün. Helmut Geiß, so heißt der Bärtige, und Hans Wenig marschieren auf dem Feldweg von Schwarzach in Richtung Königsbachtal. Immer wieder bleibt Wenig stehen und deutet in die Landschaft. "Da würde sie durchschneiden, mitten durch die Wiesen", sagt Wenig und schüttelt den Kopf. Er ist Vollerwerbsbauer, der hier seine Wiesen hat. Und mit "sie" meint er eine Straße, die einmal Langdorf und Zwiesel auf einer anderen Trasse verbinden soll als die jetzige Staatsstraße 2132, die durch Schwarzach und Außenried führt.

Die Landschaft einer Straße opfern? Wenigs Hand beschreibt einen Bogen und geht nach oben, wenn er die Höhe von Dämmen schildert, die beim Bau der Straße notwendig würden. "Kann man diese Landschaft einer Straße opfern?" fragt er. Eine Antwort muss er nicht geben, die Empörung in seiner Stimme ist Antwort genug, und nur zur Verdeutlichung schiebt er noch nach, dass der betroffene Korridor für den Straßenneubau rund 40 Meter breit wäre. Böschungen, Anwandwege, Rückhaltebecken brauchen viel Platz. Bei 7,2 Kilometer Ausbaulänge kommt man auf gut 20 Hektar Land, die der Neubau fressen würde, ein großer Teil dieser Fläche würde versiegelt. Die vom Bauamt geschätzten Kosten: exakt 1000 Euro pro Meter Straße, macht in der Summe 7,2 Millionen Euro.

Die Staatsstraße zwischen Langdorf und Zwiesel schlängelt sich durch die Landschaft, läuft mit der Landschaft. Sie soll durch einen Neubau ersetzt werden. Die betroffenen Grundstückseigentümer wehren sich, sie fürchten, dass die neue Straße nicht nur ihre Existenzen, sondern auch die Landschaft zerstört.


7,2 Kilometer für 7,2 Millionen Euro Entlastung der Dorfbewohner, die direkt an der Straße ihre Häuser haben; Verkehr flüssiger machen; mehr Verkehrssicherheit; Verbindung der Wirtschaftsräume Kötzting und Zwiesel − diese Gründe führen Landrat Michael Adam (SPD), Langdorfs Bürgermeister Otto Probst (CSU) und Robert Wufka, Leiter des Staatlichen Bauamts Passau, auf, wenn sie erzählen, warum man zwischen Langdorf und Zwiesel einen Straßenneubau braucht. Ein Ausbau auf der bestehenden Trasse, leichte Verbreiterungen, Kurvenradien moderater gestalten, wäre das nicht auch eine Lösung? Klares Nein von den Straßenbau-Befürwortern. "Die Menschen in den Orten müssen von den tausenden Fahrzeugen täglich befreit werden, das ist auch für die Dorfentwicklung notwendig", so Landrat Adam. Er ist die mögliche Trasse schon in Gummistiefeln abmarschiert, hat dabei aber nicht die Heimatgefühle von Hans Wenig oder Helmut Geiß entwickelt. Die Neubau-Gegner können sich einen sanften Ausbau auf der bestehenden Trasse schon vorstellen. Fest installierte Blitzer in den Ortsdurchfahrten könnten die Autofahrer erziehen, so glauben sie; den Schwerverkehr in und aus Richtung Zwiesel würden sie am liebsten über die ausgebaute Straße zwischen Regen und Langdorf und die B11 lenken. Die Erhöhung der Verkehrssicherheit als Begründung für einen Neubau können sie nicht nachvollziehen: "Wann war der letzte schwere Unfall?" fragen sie. Das Zeitungsarchiv gibt die Antwort: schon lange her, die schwereren Unfälle passieren auf dem breit ausgebauten und geraden Straßenstück zwischen Langdorf und Bodenmais.

Die Straße von Schwarzach nach Langdorf:


Trickserei mit der Verkehrsbelastung In der Diskussion wird von den Straßenbau-Befürwortern in Sachen Verkehrsbelastung schon mal ein bisschen getrickst. Bei einer Info-Veranstaltung war von 7000 Fahrzeugen pro Tag die Rede; allerdings ist dieser Wert ermittelt worden, als die Bundesstraße 11 zwischen Regen und Zwiesel total gesperrt war und die Umleitung über Langdorf-Schwarzach-Außenried führte.

 Unter den Männern und der Frau, die jetzt in Schwarzach um einen Tisch sitzen, ist die Meinung klar: Keine der Trassen, die jetzt in der Diskussion sind, sollte gebaut werden. Fünf Vollerwerbslandwirte in Schwarzach, zwei in Außenried wären in ihrer Existenz betroffen. Ausgleichsflächen? "Wo soll ma denn den Grund hernehma?" fragt Hans Denk aus Außenried. Auf der größten Rodungsinsel der Gemeinde Langdorf, zwischen Langdorf und Kohlnberg, Außenried und Nebelberg, sind fast alle Flächen genutzt, vermehren lassen sich Grund und Boden nicht, wie auch der bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, der auch CSU-Kreisvorsitzender im Landkreis Regen ist, immer betont.

 Denk hat seinen Hof direkt an der Staatsstraße, genauso wie Alfons Schweikl oder Alois Kraus. Übereinstimmend sagen sie, dass man auch mit der Straße leben könne. Allerdings ist es auch kein Problem, Anlieger zu finden, die sagen, dass man mit der Straße nicht mehr leben könne, und dass die mehrere tausend Fahrzeuge pro Tag unerträglich seien.

 "Zurzeit befinden wir uns im Stadium der Variantenuntersuchung und Linienfindung", schreibt Robert Wufka vom Staatlichen Bauamt über den Stand der Planung. Gibt es eine Linie, mit der alle leben können? Es ist schwer vorstellbar, wenn man die Varianten betrachtet. Entlang der Bahnlinie: zu nah an den Ortschaften. Südlich von Schwarzach und Außenried: Hier liegen die wertvollsten landwirtschaftlichen Flächen. Im Tal des Königsbachs: Hier legt die Naturschutzbehörde das Veto ein (und dem Liebhaber der Heimat blutet das Herz, stellt er sich hier eine Staatsstraße von der Art vor, wie sie zwischen Langdorf und Regen in die Landschaft gefräst worden ist). Noch weiter südlich: Da gehen die Kohlnberger und Froschaumühlner auf die Barrikaden.

 Wie Otto Probst sagt, hat sich der Gemeinderat in der Entscheidung für einen Straßenneubau auf keine Trasse festgelegt und vertraut auf das Bauamt und seine Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern.

Verkaufsbereitschaft? Kopfschütteln!  "Ein Planfeststellungsverfahren − also Genehmigungsverfahren − steht absehbar noch nicht an. Zunächst muss die Vorzugstrasse entwickelt werden, die dann der Zustimmung der vorgesetzten Behörde bedarf; dann erst folgt das Planfeststellungsverfahren", erklärt Wufka den Stand des Verfahrens. Und dass man das Ziel habe, eine möglichst breite Zustimmung der Grundeigentümer zu erhalten, was das Planfeststellungsverfahren vereinfachen würde.

 Wer die Stimmung am Tisch in Schwarzach deutet, dem fällt es schwer, daran zu glauben, dass die Grundstücke leicht zu kaufen sind. Kopfschütteln im Rund, als die Frage kommt, ob jemand verkaufen würde. Wenn es um Argumente geht, die gegen den Neubau sprechen, sind die Gegner auch durchaus kreativ. Die alte Straße würde sich bei einem Neubau nicht in Luft auflösen, sie würde auch weiter benötigt zur Erschließung der Dörfer. Aber sie wäre keine Staatsstraße mehr, sondern vermutlich nur noch eine Gemeindeverbindungsstraße, die auch von der Gemeinde unterhalten werden müsste. "Kimma uns des leist’n?" fragen sie und erwähnen den bedenklichen Schuldenstand der Gemeinde, der auch schon dazu geführt hat, dass das Landratsamt mahnende Briefe an die Gemeinde geschickt hat.

  Am 5. November hat Landrat Adam ins Landratsamt geladen. Bürgermeister Probst, Bauamts-Chef Wufka, Vertreter der Schwarzacher Initiative sind geladen. Die Fronten scheinen hart. Und die Schwarzacher um Hans Wenig haben sich schon anwaltlichen Rat geholt. Bei dem Anwalt, der die Gegner der Isental-Trasse der Autobahn A94 vertreten hat. Es war ein jahrzehntelanger Kampf, bis der Bau dieser Autobahn durchgesetzt war. "Und die hat eine Bedeutung, die ein bisschen größer ist als die der Staatsstraße zwischen Langdorf und Zwiesel", sagt Wenig und hört sich ziemlich kampfeslustig an, wenn er das sagt. Kann sein, dass Helmut Geiß noch an manch schönem Herbststag ein paar "Zigeuner" auf dem Weg zwischen Schwarzach und dem Königsbach finden kann.