Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie
wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (...) ausgeübt. So steht es
im GG, doch scheren tut das niemand. Ich habe das vor bald zwanzig
Jahren schon einmal mit einem Schriftsatz beim VG eingefordert, doch ich
unwissender Naivling wurde darüber belehrt, dass ich überhaupt nicht
berechtigt bin, vor das Verfassungsgericht zu ziehen und die Beseitigung
einen Verfassungsverstoßes anzumahnen. Da müßte ich schon persönlich
betroffen sein und mich zuvor durch alle Instanzen geklagt haben... Das
verstand ich mit meinem Bürgerhirn nicht. Ich wies darauf hin, dass es
unter der Etikettierung „Demokratie“ nur ein Polittheater gibt und man
im besten Fall zwischen zwei Übeln entscheiden kann. Und das soll mich
persönlich nicht betreffen? Wenn rückgratarme Karrieristen und
Dampfplauderer die Parlamente besetzt halten, die damals schon, ich
glaub sechzig Mal die Verfassung verändert und verwässert hatten und
weder vom Verfassungsschutz noch vom Verfassungsgericht dagegen
Einspruch kam? Und da soll ich nicht betroffen sein? Oder wenn permanent
gegen den im GG verbotenen Fraktionszwang verstoßen wird und die
Volksvertreter nicht das Volk vertreten, sondern nur ihre Parteien und
die wiederum Interessengruppen bedienen? Wie kann man mir dann die
Betroffenheit absprechen? So dachte ich damals und denke ich auch noch
heute und möchte, dass dieser Etikettenschwindel, der im besten Fall
eine Kinderdemokratie ist, endlich erwachsen wird, und über Sachthemen
nach den Regeln der Vernunft und jeweiligen Betroffenheit abgestimmt
wird. Also über Themen, die alle betreffen dürfen alle abstimmen, und
über regionale Themen soll ein möglichst enger Zirkel geschlagen werden,
damit die wirklich Betroffenen nicht durch enferntere Nutznießer
überstimmt werden können. Nun werden Kritiker sagen: Genau deswegen muß
alles so bleiben, wie es ist, denn wie sollte es dann noch schädliche
Baumaßnahmen im Vorgarten oder einen Kriegseinsatz in fernen Ländern
geben? Richtig, da müßte es schon schwerwiegende Argumente dafür geben.
Daraus ergäbe sich die völlige Entmachtung jener, die heute bestimmen.
Aber so würde eben wirkliche Demokratie funktionieren und mir wäre
engagiertes Kirchturmdenken, das auf Eigennutz für sich und die seinen
baut lieber, als die Erfüllung des Eigennutzes von völlig fremden
Interessen. Und komme mir jetzt niemand, dass die Bevölkerung zu blöd
wäre, etwas zu entscheiden. Aber klug genug Politiker zu wählen, die
sich wie Waschmittelwerbung anbieten, ist sie schon? Wie schon oft in
Interviews nach Parlamentsabstimmungen aufgedeckt wurde, steht auch
Abgeordneten beim Abstimmen oft keinerlei Sachkennnis im Weg, sie können
oft nicht einmal erklären, warum sie so oder so gestimmt haben. Aber
das ist eben gewünscht, von denen, die wirklich die Entscheidungen
treffen. Ein Parlament, das sich von Lobbyisten oft sogar die Gesetze
schreiben lässt, sollte sich einfach nur schämen und schweigen. Ein
Land, in dem vielleicht 80 Prozent aller Entscheidungen von Bürokraten
gesteuert werden und diese wiederum nur Anhängsel von Gesetzen und
internationalen Verträgen sind, sollte beim Thema Selbst- und
Mitbestimmung oder gar beim Thema Demokratie besser kleinlaut werden.
Bleiben immer noch zwanzig Prozent Regelungskompetenz der Politik, höre
ich nun einwenden. Nein, das meiste davon wird in Washington und Brüssel
geregelt, und dort tanzen die Puppen nach der Pfeife der Hochfinanz und
der von internationalen Konzernen.
Vielleicht ist das alles ein
wenig überzeichnet, doch soll es klarmachen, das unser Leben in hohem
Maß von Leuten gesteuert wird, die überhaupt über keine demokratische
Legitimation verfügen.
Ob ich so naiv sei und glauben würde, das
Plebiszite immer vernünftig ausgehen? Meistens würde es so sein, glaube
ich, Veränderungen würden auf jeden Fall von Vorsicht gesteuert, was nie
schaden kann. Und richtige Fehlentscheidungen? Würde es wohl auch
gelegentlich geben, doch die gibt es heute am laufenden Band.