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24.09.19 Gedanken zu den gefiederten Sauriern

zu Sinkflug statt Singflug

„Ungeziefer der Lüfte“ hat sie Brecht einmal genannt und als romantischer Naturfreund habe ich ihn – den ansonsten Hochgeschätzten - dafür verflucht.
Ich vermute heute, dass Brecht damals wohl seine Kirschen, Beeren und Trauben an die massenhaft auftretenden gefiederten Nachfahren der Saurier verloren hat. Und da mir das heute auch regelmäßig passiert, kann ich Brechts böse Betitelung schon ein wenig verstehen.
Doch dann höre ich wieder den wunderbaren Vogelgesang und bin bezirzt und bereit für die nächste Winterfütterung, bei der ich mich über jeden flatternden Besucher freue. Nicht weniger liebe ich die geschwätzigen Schwärme der Wildgänse, die nachts oft über unser Dorf ziehen und mich, anders als Kirchenglocken und Maschinenlärm, überhaupt nicht stören. Wer dann, wie gestern, über dreißig Schwäne im Tiefflug über der Donau sehen durfte, dem geht das Herz auf. Wer dann auch noch einen Eisvogel sieht, – der würde für den Erhalt dieser herrlichen Geschöpfe alles geben.
Doch als am Fischweiher der Graureiher aufsteigt, finde ich viele von ihm angestochene Fische am Ufer, getötet ohne Not und Sinn, mit der romantischen Verklärung des Federviehs ist es wieder vorbei.
„Sie sähen nicht und ernten nicht, ab ihre irdischen Freunde ernähren sie doch“, muss ich deswegen den blauäugigen Satz aus der Bergpredigt ein wenig abwandeln.

Was ich nun schreibe, gilt nicht für die Region, erst recht nicht für das Land und schon gar nicht für die Welt. Ich berichte nur, was ich sehe. In meinem Lebensumfeld sehe ich keinen an eine Apokalypse erinnernden Rückgang an Vögeln. Letztes Jahr waren es vom Gefühl her weniger, dieses Jahr scheinen die Populationen wieder normal zu sein. Das mit den Feldlerchen kann ich aber auch bestätigen, die vielen Pflege- und Spritzfahrten der Bauern scheinen ihnen das Bodenbrüten immer unmöglicher zu machen. Andererseits hat der Abbau ausgerechnet einer technischen Einrichtung, nämlich der Stromleitungen zu den Hausdächern, den Schwalben ihre Versammlungsplätze genommen. Zweifellos zerstört der Versiegelungs- und Wasserableitungswahn der Landschaft ganze Lebensräume, aber die heimischen Arten werden auch massiv von zugewanderten Konkurrenten, von Neophyten, verdrängt, eine zu wenig beachtete Folge von globalem Warenverkehr und Tourismus. Vielleicht sollten die Anhänger einer grenzenlosen und multikulturellen Welt, die ja weitgehend deckungsgleich mit den apodiktischen Aplogeten, der ständig vor einer Apokalypse warnenden Zeitgenossen sind, auch diesen Aspekt mehr bedenken.

Der Rückgang an manchen Insekten tut auch manchen Vogelarten weh. Andererseits haben mich heuer schon mehrere Wespen gestochen und im Frühsommer gab es eine Stechmückenplage, so dass sich meine romantischen Gefühle zu gierigen Kerbtieren in Grenzen halten.

Meiner Erfahrung nach ist jedes Jahr anders, aber diese Erkenntnis ist ja wohl trival. Wer aber, wie ich, über Jahrzehnte ein naturnahes Leben als Selbstversorger praktiziert, kriegt ein Gefühl für die Überlebenskraft der Natur und eine an Gewissheit grenzende Ahnung, dass jede Sorge um sie beinah etwas Lächerliches hat. Obwohl ich die Gefahr eines Missbrauchs meiner Beschwichtigung durch diejenigen befürchte, die meinen, man könne die Natur unbegrenzt zerstören, so will ich aber nur den Überbesorgten ein wenig Mut machen und ihnen übertriebene Befürchtungen nehmen.