18.1.16 Tierhaltung und Selbstversorgung
Leserbrief an Straubinger Tagblatt zum Artikel vom 4.1.16 „Esel, Schafe und Ziegen für Zuhause?“
Es ist erfreulich, dass es in einer Zeit, in der tierische Nahrungsmittel im Supermarkt zu wachsen scheinen und die Menschen all dem entfremdet wurden, was unsere Vorfahren Jahrtausende in unseren Breiten hat überleben lassen, in Erinnerung gebracht wird, dass es auch anders ginge, wenn man nicht gerade in der Stadt lebt und schlimme Nachbarn hat. Noch niemals zuvor haben angewiesenere und damit unfreiere Menschen gelebt, was den meisten aber nicht bewußt ist, denn sie definieren Freiheit mit Urlaubsreisen und Konsumangeboten und huldigen den neuen Göttern und hoffen auf Erlösung durch Technik und Geld. Doch das eine kann schnell wertloses Papier sein und die Technik kann ausfallen, die praktischen Folgen kann sich jeder selber ausmalen. Mit der früheren Selbstversorgung ging neben allem anderen auch Überlebenskultur verloren, die ich für die bedeusamste aller Kulturen halte. Nicht nur Wissen und Fertigkeiten, sondern auch ein Genpool an widerstandsfähigen Haustierrassen. Eine Renaissance wird aber nicht nur durch Nichtwissen, Bequemlickeit und Verstädterung verhindert, auch Wirtschaft und Politik wollen genau diesen Zustand des völligen Ausgeliefertseins und tun alles, damit auch die letzten Selbstversorger entnervt aufgeben. Sie wenden Vorschriften, die für die Agrarindustrie gemacht wurden, auch auf Tierhalter mit zwei, drei Tieren an und zwingen ihnen irrwitzige Bürokratie auf. Und ausgerechnet diejenigen, die dieses Land mit immer neuen Straßen zerschneiden und die hässlichsten Gewerbebauten absegnen und das schöne Bayernland bald bis zur Unkenntlichkeit „modernisiert“ haben, verweigern Selbstversorgern und Kleinbauern die bauliche Privilegierung, und machen es unmöglich irgendwohin einen Unterstand oder Heuschober zu bauen. Und die verschiedenen Behörden spielen Pingpong mit jedem, der es versucht und wenn dann die Oberlandschaftszerstörer den Knüppel „Zersiedelung der Landschaft“ aus dem Sack holen, kann man nur noch auswandern nach Russland oder Kanada... Als heimatverbundener Mensch kam das für mich nicht in Frage und so habe ich fast vierzig Jahre lang als Selbstversorger das getan, was einem die Menschheitsgeschichte lang Ehre eingebracht hat: Sich und die Seinen zu ernähren und mich am Rande der Gesetze entlangzuschlängeln. Deshalb habe ich den Artikel mit viel Sachkunde gelesen und wiederholt die Augenbrauen hochgezogen. Ein Leserbrief kann diese Einwendungen aber nur andeuten, vielleicht schreibe ich mal einen Wälzer darüber. Bei den wiedergekäuten Vorurteilen in Sachen Ziegenhaltung kann ich aber schon abhelfen, siehe Tipps dazu auf meiner Webseite:
Impressionen aus drei Jahrzehnten Selbstversorgerlandwirtschaft im Bayerischen Wald