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28.02.20 Akt der Menschlichkeit

Leserbrief an PNP zum heutigen Bericht "Sollen Alte ihren Platz räumen?"

Als ich von dem Urteil des Verfassungsgerichtes hörte, schöpfte ich wieder Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch manches zum Guten hin ändern kann. Und Sterbehilfe für Menschen, die sterben wollen ist gut, es ist ein Akt der Menschlichkeit, selbst wenn einige damit ein Geschäft machen werden. Doch sicher kein Vergleich mit den Geschäften, die heute mit künstlicher Leidensverlängerung gemacht werden, ich habe da schreckliche Erfahrungen im engeren Familienkreis gemacht, trotz Patientenverfügung. Durch die neue Regelung werden auch die Hospize nicht überflüssig, falls dies jemand befürchten sollte. Selbstbestimmt sterben können, ohne dass man sich selber auf schreckliche Weise entleibt, das kann ich nur positiv finden. Und ich bin sicher, niemand wird sterben wollen, nur weil er es kann, es gibt keinen stärkeren Antrieb als den Überlebenswillen. Zum Lamento der Kirchen "Das Leben des Menschen ist unantastbar und unverfügbar, weil Gott der alleinige Herr über Leben und Tod ist", ist zu fragen, warum sie dann die Massenvernichtungswaffen segnen, warum sie Wirtschaftssysteme hofieren, bei denen der Hungertod quasi zum Betriebsmodell gehört, oder warum man von Kirchen so gar nichts hört, wenn etwa die Organmedizin Menschen ausschlachtet, die ja zu diesem Zweck noch lebendig sein müssen. Wird da dem lieben Gott nicht auch die Verfügungsgewalt weggenommen?

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Anmerkung

Der Leserbrief wurde am 3.3.20 im Bayernteil der PNP abgedruckt, der rot markierte Teil wurde gestrichen, was nicht verwundern kann, nachdem sich der Chefredakteur Ernst Fuchs noch vor wenigen Wochen so vehement für die Organmetzgerei eingesetzt hat.

Gleichzeitig wurde ein langes Interview mit Alois Glück in der PNP abgedruckt, den ich bei vielen Themen schätze, was aber nicht für seine Meinung in Sachen Sterbehilfe gilt.

Auch ich möchte zu meinem Leserbrief auch noch ein paar Argumente anführen. Ich will dazu ebenfalls die Form eines Interwiews wählen:

Frage: Gott soll der Herr über Leben und Tod bleiben, haben uns zwei ostbayerische Bischöfe gesagt. Du behauptest, dass sich die Kirche daran aber in anderen Bereichen noch nie gehalten hat?

hgeiss: Die Kirche war immer auf der Seite der Mächtigen, war über Jahrhunderte vielleicht selber sogar die mächtigste aller Mächte, sie steuerte Kaiser und Könige. Und was diese Macht seit dem alten Rom alles verbrochen hat, macht sie vermutlich zur schrecklichsten Organisation, die jemals existiert hat. Schrecklich auch deshalb, weil sie sich zur Vernebelung der Köpfe ihrer Gläubigen hinter den freundlichen Aussagen der Bergpredigt versteckt, sich aber im wirklichen Leben nur von dem skrupellosen Rächergott des Alten Testamentes leiten lässt.

Das Folgenschwerste geht auf ihren "Missionierungsauftrag" zurück, der das Christentum zu einer aggressiven und untoleranten Religion macht, die die ganze Welt „bekehren“, also beherrschen will. Die Bibel ist voll mit Schrecklichkeiten, die man den Heiden, die sich der Missionierung verweigern, antun darf. Wer sich ihnen nicht blind unterwarf wurde verfolgt und die Inquisitoren mordeten und folterten im Namen Gottes. Jede Konkurrenz wurde ausgerottet, die alten Religionen grad so wie Weise und Heiler, die man als Ketzer und Hexen verbrannte. Das katholische Rom führte die Blutspur der Cesaren weiter und verbreiterte sie zum blutigen Fluß. Im Cäsaren-Rom hatten alle alten Götter der unterworfenen Völker ihren Platz. Anders im Christentum. (Den Islam lasse ich hier außen vor). Wenn Bischöfe sagen, ihr Gott sei alleiniger Herr über Leben und Tod, dann meinen sie natürlich sich selber damit, auch wenn das manchem freundlichen Priester heute nicht bewusst sein mag. Auch an die Glaubenskriege, etwa zwischen Lutheraner und Katholiken, soll erinnert werden, bei denen es nicht um die Lehre ging, sondern um geostrategischen Einfluss und schnöde Macht.

Frage: Aber das sind ja alles Dinge aus der Vergangenheit, heute setzt sich die Kirche für den Schutz des Lebens ein.

hgeiss: Tut mir leid, die Kirche ist auf Grund ihrer blutigen Geschichte, auch in der jüngeren Vergangenheit, aber auch durch ihre gegenwärtige Nähe zu den Mächtigen, unglaubwürdig, wenn sie sich nun für die "Pflicht" zum Leben, egal was das an Qualen bedeutet, einsetzt.

Selbst der jetzige freundliche Papst hat zu den massenhaften Ermordungen während der argentinischen Militärdiktatur geschwiegen, man sagt ihm, als damals obersten Jesuiten, ein gutes Verhältnis zu den faschistischen Militärs nach. Diese Nähe zum Faschismus zieht sich durch das ganze 20. Jahrhundert, etwa der Völkermord an den griechisch-orthodoxen Serben in Kroatien durch Klerikalfaschisten.

Frage: Das mag wohl alles stimmen. Was nicht bedeutet, dass hinter den Worten der Bischöfe nicht doch eine tiefe ethische Sorge vor Missbrauch stecken.

hgeiss: Das mag durchaus sein, ein Bischof spricht aber im Namen des Vatikans und dem geht es um die Basis seiner Macht, die bei Religionen immer auf der Angst vor dem Tod fusst. Wenn nun dem Sterben seine Schrecken genommen werden und jeder sanft zum selbstgewählten selbstbestimmt Zeitpunkt aus dem Leben scheiden kann, bekommt das kirchliche Fundament weitere tiefe Risse. Sie müssen sich dann alleine auf den Glauben an Konsequenzen im Jenseits verlassen.

Es bricht aber auch vieles an Verdienstmöglichkeiten weg. Über tausend Jahre haben die Pfaffen den Sterbenden ihr Habe abgeluchst und ihnen dafür einen Platz im Himmel versprochen und Witwen und Waisen in Not gestürzt. Auch wenn diese Quelle kirchlichen Reichtums heute wohl keine Rolle mehr spielt, habe sie über kirchliche Einrichtungen ein materielles Interess an lang lebenden Patienten, egal wie diese sich im Einzelfall quälen und ihre Würde verlieren.

Frage: Aber da gibt es wohl andere Gewerbe, die von einer Sterbehilferegelung viel größere Einbußen zu erwarten haben.

hgeiss: Richtig, die Ärzteverbände, die pharmazeutische Industrie, die Assekuranzen und ein Rattenschwanz an anderen Gewerben, die zu einem hohen Prozentsatz von den letzten Lebensjahren ihrer Patienten leben. Deswegen laufen sie auch seit Jahren Sturm gegen den drohenden Verlust dieser Pfründe. Bei Licht besehen ist vieles, was als ärztliches Bemühen und ärztliche Kunst gilt, reine Leidensverlängerung. Nur Pferden gibt man den Gnadenschuß, Menschen müssen leiden und möglichst lange dahinvegetieren.

Frage: Du bist dir hoffentlich schon bewußt, dass du da vieles über einen Kamm scherst?

hgeiss: Gewiss wird die überwiegende Mehrzahl der Patienten nicht sterben wollen und bis zuletzt auf Linderung oder gar Heilung hoffen, wie schon angemerkt, ist nichts stärker als der Überlebenswillen. Das Sterbehilfegesetz wird deshalb nur einen kleinen Teil der Patienten überhaupt betreffen. Doch wer darunter leidet nur noch von Maschinen am Leben gehalten zu werden, dem das blutbildende System versagt und er nur noch durch Bluttransfusionen existiert, wer ans Bett gefesselt ist, vielleicht künstlich über eine Magensonde ernährt wird, wer seine Schließmuskeln nicht mehr kontrollieren kann und in seinen Exkrementen liegen muss, bis sich jemand seiner erbarmt usw., der seine Verwandten anfleht, dass sie ihn erlösen sollen, der gehört heute zu den ärmsten Wesen, die überhaupt vorstellbar sind.

Frage: Gut, in solchen Fällen sehe ich auch einen gnädigen Tod als die letzte Form von Therapie und Menschenliebe. Aber - zukünftig sollen auch gesunde Menschen Sterbehilfe erhalten…

hgeiss: Ich glaube nicht, dass gesunde Menschen sterben wollen. Wer mit dem Gedanken an Suizid in jungen Jahren spielt, dem ist oft durch soziale Zuwendung und bei Unterstützung auf der Sinnsuche zu helfen, meist handelt es sich um sogenannten „appellativen Suizid“, der eindringlichsten Form des Appells, einen nicht allein zu lassen und die eindringlichste Bitte um Hilfe. Dennoch - bevor sich jemand vor den Zug wirft, sich erhängt oder von einem Hochhaus springt, weil er ernsthaft seines Lebens überdrüssig ist, auch dem sollte man helfen friedlich und schmerzfrei aus dem Leben zu scheiden.

Frage: Und siehst du nicht auch die Gefahr, dass etwa Verwandte aus Gier jemanden psychisch unter Druck setzen, dass er sich einschläfern lässt, weil die Kinder erben wollen oder der Staat Kosten sparen will?

hgeiss: Ich glaube, dass solche Fälle seltene Ausnahmen sein werden. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtes verlangt ja auch, dass durch Beratungen und Gespräche genau solcher Missbrauch verhindert werden soll.

Falls behördliche Stellen, die dem Staat Kosten sparen wollen Kranke gegen ihren Willen zum Sterben drängen würden, müssten die Verantwortlichen wegen Mordes angeklagt werden, aber das versteht sich von selbst.