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16.08.19 Jemand mit Häusern erschlagen

zu Das Gesicht der Bundesrepublik

Wenn das Sein das Bewusstsein bestimmt, dann braucht sich niemand über das heute so viel gescholtene uniforme und traurige Bewusstsein der Massen zu wundern. „Lebst in einer Hühnersteing, wirst auch bald a Hehndal sei“, sang Arik Brauer vor vielen Jahren. Die großstädtische Architektur ist für Menschen wie ein Keulenschlag, Gewalt und Vergewaltigung in Beton gegossen. Heinrich Zilles berühmter Satz "Man kann mit einer Wohnung einen Menschen genau so töten wie mit einer Axt", hat fast etwas nostalgisches, denn die heutigen Wohnverhältnisse gleichen eher einem Dampfhammer.
Ich habe einmal ein paar Jahre in einem Abrisshaus der Gründerzeit in Kreuzberg gelebt und der hygienischen Schrecklichkeiten könnte ich viele aufzählen. Doch verglichen mit den uniformen Monsterbauten in den Trabantenstädten, hatte aber alles noch ein menschliches Maß. Es gab beinah alles Lebensnotwendige in der Straße, kleine Läden aller Art, Arztpraxen, Kneipen. In den Fenstern lehnten die Alten, die Fenstergucker, die das Treiben im Viertel interessierte. In den „Hühnersteigen“ der Hochhäuser interessiert sich niemand mehr für irgendwen, die modernen elektronischen „Fenster“ werden immer größer und flacher und ersetzen Nachbarschaft und Realität. Wenn das Geld reicht versucht man wenigstens einmal im Jahr dieser Hölle zu entfliehen, meist in die südlichere Bettenburg, wo man sich zwei Wochen in fremden Betten tummelt und sich ein wenig bedienen lässt und sehnsüchtig aufs Meer hinausschaut oder der kühlen Freiheit auf hohen Bergen nachsinniert.
Ein Höhepunkt der Reise ist das Schlendern durch eine in Jahrhunderten gewachsene alte Stadt, mit abgewetztem Kopfsteinpflaster, mit Häusern, von denen keines dem anderen gleich ist und bei deren Bau der rechte Winkel nur über den Daumen anvisiert wurde. Man staunt, mit der Eistüte in der Hand, und bekommt eine Ahnung, was städtische Architektur auch sein kann.