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23.10.17 Für ein Europa der Kantone

 

Leserbrief an Straubinger Tagblatt zur Berichterstattung der letzten Wochen über die angestrebte Sezession Kataloniens

 

Mir scheint, dass dieselben, die die Zerschlagung Jugoslawiens begrüßten, heute am heftigsten gegen weitere Sezessionen in Resteuropa polemisieren. Auch ich glaubte lange daran, dass die Zukunft und die Lösung vieler Menschheitsprobleme in einer Welt ohne Grenzen lägen. Heute bin ich mir sicher, dass Demokratie ohne Nähe und Überschaubarkeit überhaupt nicht möglich sind. Alle Dezentralisierung kommt echter Demokratie entgegen, Zentralisierung führt letztlich immer zur Diktatur, Wollen und Absicht sind dabei unwesentlich.

Die kulturelle Vielfalt der Völker dieser Welt ist ein Schatz, den es zu bewahren und zu entwickeln gilt. Was heute als hochgelobte Globalisierung und Internationalismus daherkommen, ist die reine Gleichmacherei, mit den „apokalyptischen Reitern“: Entmündigung, Entwurzelung und Sprachenraub.

Über den Wolken mag die Freiheit gerne grenzenlos sein, am Boden bedeutet der Abbau von gewachsenen Begrenzungen letztlich Faustrecht, Monopolisierung und Wirtschaftsanarchie, also Traumbedingungen für Wölfe und Haie.

 

Der Philosoph Leopold Kohr hat 1941 während des großen Völkermordens in seiner Schrift "Einigung durch Teilung" für ein Europa der Kantone plädiert, etwa nach Schweizer Vorbild, um den fürchterlichen Kriegen der Nationalstaaten den Boden zu entziehen. Doch nach 1945 ging man mit der EU den gegenteiligen Weg. Man lobte zwar in Sonntagsreden immer das „Europa der Regionen“, tatsächlich zentralisierte man auf Teufel komm raus, was immer Entdemokratisierung bedeutete. Gewiss würden Kantonisierung und Zerschlagung der Nationalstaaten und Pakte nicht alle Probleme lösen. Aber aus der Vielfalt und dem Mehr an Direkter Demokratie würden Lösungen entstehen, die heute unerreichbar sind. 

Hier kann die Schrift von Leopold Kohr „Einigung durch Teilung“ nachgelesen werden:
http://www.begegnungszentrum.at/texte/kohr/kohr-einigung.htm

 

05.10.17 Neue Wege ausprobieren

zu Für die Bayernpartei steht Katalanen wie Bayern das Selbstbestimmungsrecht zu

Zitat „... in der KSZE-Schlussakte ist das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" verankert: "Kraft des Prinzips der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechts der Völker haben alle Völker jederzeit das Recht, in voller Freiheit, wann und wie sie es wünschen, ihren inneren und äußeren politischen Status ohne äußere Einmischung zu bestimmen und ihre politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung nach eigenen Wünschen zu verfolgen."

Klingt vernünftig und human. Doch der Begriff "Volk" wird von Fanatikern in der Eigenschaftsform "völkisch" zum Totschlagargument und Synonym für Rechts oder Rassistisch. Ob es ihnen klar ist, dass sie damit auch die KSZE-Philosophie verunglimpfen?
Die ganze Menschheitsgeschichte galt die Bezeichnung "Volk" immer als etwas Selbstverständliches, für eine Gemeinschaft, die sich zusammengerauft und gemeinsam entwickelt hat, was sich in einer eigenen Sprache niedergeschlagen hat, in Gewohnheiten und Ansichten von Gott und der Welt, und war immer positiv besetzt. Bis - in unserer Hemisphäre die Römer vor 2000 Jahren - für ihr Kolonialreich eine Gliederung der Untertanen als störend empfanden. Alle sollten Römer werden und brav dem Imperium dienen. Dafür brauchte man eine Religion, die alle Menschen vor Gott gleich machte und ihnen im Jenseits Lohn versprach. Im Diesseits blieb man bei der Sklavenhaltergesellschaft, bis die Betriebsumstände freie Taglöhner, die man nur bezahlt, wenn man sie braucht, lukrativer erscheinen ließen. Aber ich schweife ab...

Dann kamen die Internationalisten 2.0, die Kommunisten, die durch die Kampfparolen von der "internationalen Solidarität" und dem "Völker vereinigt euch!" wirksam verhinderten, dass sich dezentrale Formen von Demokratie entwickeln konnten. Die künstliche Frontenbildung zwischen „Proletariern“ und Gewerbetreibenden und die pauschale Verteufelung als „Bourgeois“, brachte uns dorthin, wo wir uns heute befinden: in die Bredouille, in der 1 Prozent internationaler Raubparasiten sich die Welt angeeignet haben. Sie alleine brauchen eine Welt ohne Schlagbäume, in der ihr Kapital frei fließen und sich auf Kosten aller vermehren kann. Man sagt, dass das Kapital arbeiten muss und meint damit die Bevölkerung. Diese Interessen standen hinter der Ballung von Regionen zu Nationen, die man leichter am Nasenring führen kann, als eine Vielzahl relativ autarker Regionen. Die Nationen wurden dann gegeneinander gehetzt, bis sie soweit geschwächt waren, jede weitere Internationalisierung zu akzeptieren.

Ich weiß, das klingt einigermaßen befremdlich, wenn man sich daran gewöhnt hat, die Welt ohne Grenzen als positiven Entwicklungsschritt sehen und womöglich als Synonym für Freiheit. Manche sehen es als Gipfel der Humanität an, wenn sich alle Völker vermischen und farblich und kulturell eins werden. Wenn sich das entwickelt und einvernehmlich aus Zuneigung entsteht, ist das eine begrüßenswerte Sache. Doch wer diesen Prozess durch systematische Propaganda und absichtlich erzeugte Wirren forcieren will, weil er die alten Völker verachtet, ist am Ende mehr Rassist als einer, der sich in seinem vertrauten Schneckenhaus zufrieden fühlt.

„Small ist beautiful“, hieß einmal eine auf drei Worte reduzierte Philososphie, die auf die Anregung des österreichischen Philosophen Leopold Kohr zurückgehen soll. Er hat während des nationalen Wahns und des Völkermordens 1941 die Lösung in einer Regionalisierung Europas gesehen.

Ob mir Bayern als eigenständiges Land besser gefallen würde, weiß ich nicht. Ich glaube, es wäre immer noch zu groß. Demokratie kann es nur im Überschaubaren, Kleinen geben. Demos soll ja auch nicht Volk heißen, sondern ursprünglich Dorf.

Ich bin mir sicher, dass eine internationale, zentralisierte Demokratie ein Ding der Unmöglichkeit ist, auch wenn uns das die bezahlten Volksverdummer noch immer einzutrichtern versuchen. Ich bin mir aber sicher, jede Zentralisierung ist im Grunde inhuman und gegen unsere Natur. Ja, vielleicht sogar gegen jede Natur, denn in dieser hat sich über Jahrmillionen alleine Dezentralität bewährt. (Den Gedanken habe ich einmal bei Frederik Vester gelesen).

Wir sollten nicht von einem Extrem ins andere fallen. Erst einmal anhalten, neu orientieren und dann vorsichtig den Weg gehen, den man für richtig hält. Wenn er ins Regionale zurückführt, dann aber nicht auf den alten, ausgelatschten Wegen. Wir werden immer wieder querfeldein gehen müssen, wieder stehen bleiben, nachdenken und dann wieder den richtigen Weg suchen. Gewiss, Geschwindigkeitrekorde werden wir dabei nicht aufstellen, aber am Ende unseres Lebens feststellen, dass es ein gutes, weil arbeitsreiches Leben war und zumindest die Richtung gestimmt hat.