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zu Moderne
Massentierhaltung und kapitalistische Lebensmittelproduktion
1
Es fällt dem Dörfler nicht immer leicht seine Bauern im Dorf zu lieben. Sie rauschen
auf ihren immer gewaltiger werdenden Traktoren vorbei und wenn sie Milchbauern,
Schweine-, Hühner- oder Bullenmäster sind, dann brettern sie mit ihren
Güllewagen durchs Dorf und kurze Zeit später raubt ein grässlicher Gestank
einem den Atem. Glück ist, wenn der Wind von der Gülledeponie wegweht und das
Dorf Luvwärts liegt. Aber bei 4-6 Grasschnitten im Jahr wiederholt sich das
Gestank ebenso oft und bei mehreren Bauern stinkt es eigentlich mit wenigen
Ausnahmen das ganze Jahr. Gesunde Landluft? Denkste, Ammoniakdämpfe, die sogar
Wälder sterben lassen und Nitratbomben, die keine Vegetation aufnehmen kann und
ins Grundwasser sitzt. Private Brunnen zu betreiben ist beinahe unmöglich
geworden, deswegen gibt es beinah überall Anschlusszwang ans Fernwasser, das
man mit vielen Kunstgriffen zwischen die Grenzwerte der vielen Schadstoffe
bugsiert.
Doch das Gestank steht für die Auswirkungen der Globalisierung, nie stinkt sie
mehr zum Himmel als bei diesem Thema. Vermutlich gehen drei Viertel der Gülle
auf importierte Futtermittel zurück, in alten Zeiten haben Mist und Odel meist
nicht einmal für die einmalige Herbstdüngung aller Flächen gereicht. Heute
steht die Gülle oft auf den ebenen Wiesen, in Hanglagen sitzt sie in Gräben und
Bäche. Es geht nicht um den Düngeeffekt, es ist die reine Deponierung der
unendlich anfallenden verflüssigten Scheiße, der „Veredelungswirtschaft“, wie
man die Tiermästerei in übelstem Neusprech bezeichnet.
2
Bauern sind heute allein, finden oft nicht einmal eine Ehefrau, denn die
modernen Püppchen gehen lieber shoppen oder auf Wellnessurlaub. „Lauter
gestörte Weiber“, gäbe es nur noch, hat mir neulich ein verzweifelter Jungbauer
geklagt.
3
„Wachsen oder weichen!“ heißt seit Jahrzehnten das Mantra der
Landwirtschaftsämter, eifrig unterstützt vom völlig Großagrariern und der
Industrie dienenden Bauernverband, aber beide Institutionen wären ein eigenes
Thema.
Selten wurde ein Berufsstand so allein gelassen wie der Bauer. Und mit ihrer
schrumpfender Zahl durch das von allen Seiten betriebene
"Bauernlegen" und die weitfortgeschrittene Ausrottung der kleinen
Familienbetriebe, nahm auch die Unterstützung der Unionspolitiker ab, den Sozis
waren die landbesitzenden Bauern sowieso immer Ziel ihres Neides. Ihre für
Sesselwetzer und Parteibonzen schier unbegreifliche Arbeitsbelastung – trotz
ihrer Maschinen - haben sie ihnen nie geneidet, aber in ihren Köpfen spuken
immer noch feudale Geschichten von Herr und Knecht…
Und so tanzen die politischen Marionetten allen Couleurs lieber nach der Musik
der Maschinenbaukonzerne, die ihre Waren überall hin verkaufen wollen, der
Chemie und Pharmaziekonzerne, die Tiere und Böden Nahrung vergiften und einem
Heer an landfernen Mitessern.
Doch mit was sollen die Hungerländer bezahlen als mit Agrargütern? ("Wie
bitte? Viele Futtermittel kommen aus den Staaten!", wendet hier
erfahrungsgemäß empört das Mietmaul ein. Und ich verweise dann immer darauf,
dass sie die Hamburger und T-Bone-Steaks in ihren mittel- und südamerikanischen
Vorgärten weiden lassen, wo sie seit der Monroe-Doktrin von 1823 die
politischen Regime bestimmen…)
Und so wurden und werden die Lebensmittelpreise bei uns kaputt gemacht, die
Nahrung entwertet und der Bauer musste immer größere Flächen beackern, um über
die Runden zu kommen. Alleine Daimler soll für zig Milliarden Agrargüter
importieren oder importiert haben, erzählt man sich unter Landwirten.
Doch alleine die ständig steigenden Kosten für Agrarmaschinen, mit Patentschutz
belegte Sämereien, Dünge- und Spritzmittel fressen jeden nur möglichen Gewinn,
die meisten unserer Bauern kämpfen ums Überleben. Und die wie ein Geschwür
anwachsende Bürokratie diszipliniert sie und macht ihnen das Leben schwer. Nun
deuten manche triumphierend auf die EU-Subventionen, doch wenig hat die Bauern
so sehr geschwächt wie die EU, die durch ständige Erweiterung immer mehr
Billigkonkurrenz ins Rennen schickte und den Markt zerstörte. Und nichts hat
einem freien Bauern so sehr die Würde genommen wie die Alimentierung durch die
EU.
blu_frisbee schreibt: „Es ist kein
"Mantra" falschen Denkens sondern Systemzwang kapitalistischer
Konkurrenz und Bauern sind Kleinkapitalisten, in Amerika mittlerweile kleine
Rädchen der Industrie.
Der Staat als ideeller Gesamtkapitalist will daß das Gesamtsystem immer
effizienter wird und besorgt katalysierend was das System sowieso will (und
auch ohne Staat tut).
https://de.wikipedia.org/wiki/Sicco_Mansholt
Ende 1968 legte er einen Plan vor (Mansholt-Plan), der durch die Reduzierung
der Anzahl und die Vergrößerung der Flächen der landwirtschaftlichen Betriebe
die europäische Landwirtschaft rationalisieren und an den Weltmarkt heranführen
wollte.“
Das System wird aber nicht effizienter, die "moderne"
Landwirtschaft setzt mehr Kalorien ein, als sie erwirtschaftet, das Ganze ist
einfach verrückt und nur der Gier überwiegend landwirtschaftsferner interessen
geschuldet. Wobei ich die private Großbauerngier, die von ihrer Erde und ihren
Tieren Lichtjahre entfernt ist, durchaus auch sehe. Leider war die
"sozialistische" Landwirtschaft mit ihren Kolchosen und ihren
Agrarsteppen kein bißchen besser. Als ich in den Siebzigern erstmals auf der
Transitautobahn durch die DDR fuhr, war ich geschockt und nichts hat mir
sozialistische Flausen mehr ausgetrieben. Ich begriff die so brutal ausgeräumte
Landschaft als Teil des Kalten Krieges, die zusammen mit dem
stalinistisch-spießigem Bonzenstaat mehr abschreckte als russische
Nuklearsprengköpfe es je konnten. Damals wurde diese brutale Art der
Landbewirtschaftung von bundesdeutschen Heuchlern als die reine Teufelei
dargestellt, nach der Wende, als dieser Wahnsinn von privaten Betreibern weitergeführt
wurde, war dann alles gut.
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