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1. Dezember 2015

"Mein Krampf"

Kommentar zum Kommentar bei Telepolis Hitler, Goebbels, Mussolini

Soweit ich weiß, soll „Mein Kampf“ eines der verbreitesten, aber
ungelesensten Bücher in Deutschland gewesen sein. Ähnliches gilt aber
vermutlich auch für die Bibel, die auch wenig zu Verbreitung von
„Schriftgelehrten“ beitrug. Zu Zeiten, wo es in vielen deutschen
Haushalten als einziges Buch den Quellekatalog gab, der, anders als
Hitlers Werk, sehr viel und gründlich gelesen wurde, also so etwa
Mitte der Sechzigern, bekam ich einmal „Mein Kampf“ in die Hand. Als
Leseratte und einer, der immer eine Eins in Geschichte hatte, begann
ich interessiert in dem Buch zu stöbern und ertappte mich schon nach
wenigen Seiten dabei, dass mir die Augen zufielen. Als ich dann den
Abschnitt über Rassenlehre fand, wurde ich wieder munter und fand,
was ich las, als Fünfzehnjähriger (!) ziemlich lächerlich, man
getraut es sich kaum zu zitieren: "Jedes Tier paart sich nur mit
einem Genossen der gleichen Art. Meise geht zu Meise, Feldmaus mit
der Feldmaus...“  Danach habe ich das Buch dem Freund zurückgegeben
mit der verbürgten Bemerkung: „So ein Krampf!“
Später habe ich nie verstanden, warum das Buch unter Verschluss
gehalten wurde, denn nichts würde den Leuten Rassismus mehr
austreiben, zumindest, wenn sie ein wenig selbständig zu denken fähig
sind. (Die anderen würden es sowieso nicht lesen).
Überhaupt ist Rassismus keine deutsche Erfindung, ebensowenig
nationale Überheblichkeit und auch beim Völkermorden gibt es
bekanntlich auch anderswo teuflische Meister, auch heute noch. Man
sollte aufhören die Verbrechen den Völkern anzulasten, denn die
Täterfront verläuft quer durch die Nationen. Unseren Großeltern
vorzuwerfen, sie hätten den Faschismus stoppen können, ist außerhalb
der Realität. Sie konnten so wenig entscheiden, wir wir heute
entscheiden können. Bert Brecht hat dazu gesagt, das erste Volk, das
die Nazis erobert haben, war das deutsche. Und das ist mit brutalsten
Mitteln geschehen. Hitler ist nicht in freien Wahlen an die Macht
gekommen, sondern wurde von dem Obristen Hindenburg eingesetzt, der
niemals ein der Vertreter des Volkes sondern des Militärs, des
Großindustrie und der Großgrundbesitzer war. Und Hitler war
ebensowenig ein Vertreter des kleinen Mannes, es gibt heute gute
Studien die belegen, wer ihn wirklich finanzierte. „Mein Kampf“ muss
deshalb im Licht ausgebreitet werden, es gehört endlich
entmystifiziert, nur so kann es keinen Schaden mehr anrichten. Wir
sollten lieber danach fragen, wer die Dämonisierung dieses Buches
braucht und es nach 70 Jahren noch weiter wie eine abschreckende
Voodoo-Puppe am Eingang zum Geschichtsseminar aufhängen will.