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08.03.20 Lasst uns die Welt ein wenig "echranisieren"!

zu Was von der Zukunft der Vergangenheit geblieben ist

Die ersten „Utopien“ waren mir der biblische Garten Eden, wo man zwischen nackten Frauen und zwischen Elefanten und Löwen herumflanieren konnte und den Herrgott einen guten Mann sein lassen. Die zweite Utopie wurde mir dann in Mickey-Mouse-Heften nahegebracht, wo die Comics zu meiner Kinderzeit immer einen zeitungsähnlichen Zwischenteil enthielten, der uns wohl auch beeinflussen sollte. Ich erinnere mich an eine bunte Doppelseite mit einer Unterwasserstadt in einer großen Kunststoffblase, oder an Mondstädte und Menschen, die mit Lufttaxis zwischen Hochhäusern schwebten. Damals für mich erstrebenswerte Utopien, heute Lachnummer oder Alptraum.
Zehn Jahre später kam ich mit sozialistischen Utopias in Berührung, etwa den Träumen des jungen Marx oder eine Berliner Kommune, wobei Letztere beim praktischen Kennenlernen schnell ihren Reiz verlor. Ich erinnere mich auch an ein reizvolles, bebildertes Buch mit Hippiekommunen. Durch eine Rundfunksendung wurde ich auf Robert Owens Gemeinschaftsprojekt im Nordamerika des 19. Jahrhunderts aufmerksam. Im Berliner Amerikahaus hörte ich einen Vortrag über israelische Kibuzzim. Ich besorgte mir weitere Literatur dazu und las Thomas Morus und auch Platons Politeia, diesem totalitären Ständestaat und von Skinners „Walden Two“ sind mir eigentlich nur praktische Kleinigkeiten in Erinnerung geblieben. Neben gut gemeinten Gesellschaftsentwürfen hinterließen die negativen Entwürfe von George Orwells Gruselstaat, Fahrenheit 451, Soylent Green usw. wohl nachhaltigeren Eindruck.

Überzeugen konnte mich kein einziger der utopischen Enwürfe. In sektenartigen Gemeinschaften völlig fremdgesteuert zu leben war mir, wie alle andere Gleichmacherei, unvorstellbar. Und Bonzenkratie in der DDR, was so vor der Tür als Kommunismus verkauft wurde, mit Steuerung des Einzelnen durch die Partei, war sowie Utopie zum Abgewöhnen. Doch was kann der westlichen Kleinfamilie, isoliert lebend und abhängig vom Wohlwollen von Arbeitgebern, Vermietern und Discountern, in der die selbstverständlichen Leistungen als Ware gekauft werden müssen, an Ausweg geboten werden?

Ich wählte – gegen viele Widerstände – ein Lebensmodel mit einer traditionellen Großfamilie mit 4 Generationen, in der die bekannten Probleme der Clanwirtschaft durch getrennte Haushalte auf einem Gelände minimiert werden konnten. Wir nutzten gemeinsam Versorgungseinrichtungen, es reichte uns ein Auto und eine Waschmaschine usw. Die Generation der Urgroßeltern und Großeltern blühte durch die Nähe der Enkel auf und fand neuen Lebenssinn und wir Jungen bekamen auch reichlich Unterstützung, die wir nicht als Ware kaufen mussten.

Als Leiter pädagogischer Einrichtungen konnte ich viele praktische Erfahrungen im Zusammenleben machen und vieles an Konzepten ausprobieren und nachjustieren. die alle irgendwie in mein bescheidenes Utopia „Echra“ mit einflossen. Aber letztlich wird der Entwurf einer utopischen Gemeinschaft doch immer so, dass ihr Autor auch darin leben möchte.

Wer meinen Entwurf vom „Leben der Echraner“ kennenlernen will, kann die Arbeit kostenlos lesen (www.echra.de). Ich empfehle anfangs wirklich alle drei Vorwörter zu lesen, manche sagen, sie wären das Beste an meinem Wolkenkuckucksheim. Aber auch 40 Jahre nach Beginn des allmählichen Entstehens der "Echraner" würde ich, da ziemlich desillusioniert, manches anders, vermutlich gar nicht mehr schreiben. Dennoch: Lasst uns die Welt echranisieren! (1)

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Fussnote (1) Bedeutung des Begriffs die Welt "echranisieren" = die Welt freundlicher machen, friedlicher, nachhaltiger. In einem der Prologe heißt es dazu:

Zitat: „Echra ist kein Hirngespinst. Echranische Teilchen findet man überall, sogar zwischen kalten Häuserschluchten, inmitten Maschinengeratter und himmelschreiendem Unrecht. Echranisches findet man in jeder Pflanze, jedem Tier, ja eigentlich in allem, was unsere verrückte Zivilisation noch nicht zerstört hat.
Echra spiegelt sich in der Freude und Unbefangenheit der kleinen Kinder, die noch nicht verdorben, blind und abgestumpft sind. Echranisch geht es zu, wenn sich Menschen lieben, einander zuhören, gegenseitig achten, miteinander ohne Berechnung sprechen; wenn sie sich am Leben erfreuen, wenn sie mit ihren Kindern spielen, wenn sie musizieren, malen, formen, lesen usw.“