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8. November 2015

Wenn Wesen sich selber überflüssig machen und von Befreiung sprechen

Essay zum Telepolis-Artikel "Die Befreiung der Arbeit durch die Maschine

Den Menschen von der Arbeit befreien!? Befreien? Von Sklavenarbeit?
Natürlich. Von stumpfsinniger Lohnarbeit? Gewiss! Vom Akkord?.
Unbedingt. Von einseitigen Belastungen? Von krankmachenden
Arbeitsbedingungen? Klar. Von Ausbeutung und Unterbezahlung? Aber ja!
Davon, dass er/sie nur als Werkzeug missbraucht werden, die nur die
immer wieder gleichen Handgriffe ausführen, mit den immerselben
Sprüchen Kunden gewinnen müssen?  Selbstverständlich.Von extremer
Spezialisierung und Arbeitsteiligkeit, die oft sogar verhindert, dass
der Beschäftigtre überhaupt weiß, wozu oder für wen usw. eine Arbeit
gut sein soll, ja vielleicht nicht einmal ihr Endprodukt kennt und
nicht weiß, ob es am Ende die große Bombe startet oder der Bart zum
Schlüssel einens KZs ist. 
Das alles sind Arbeiten, auf die man allesamt den Begriff der
„Entfremdung“ kleben muss, den vielleicht bedeutsamsten Begriff des
alten Marx, dem einzigen, mit dem er mich erreicht hat. Doch schon
seinen nächsten Satz, dass der von entfremdeter Arbeit befreite
Mensch dann seinen Liebhaberein nachgehen kann, den sehe ich schon
wieder sehr kritisch, denn auch Marx sollte ja gesehen haben, zu
welchen menschlichen Karikaturen die, von Arbeit „befreiten“,
feudalen Püppchen und Müssiggänger geworden sind. Heute sind diese
Freiräume in unseren Breiten zu Allgemeingut geworden und damit wir
alle, zumindest teilweise, ebenfalls zu  solchen „Karikaturen“
geworden, die sich wie verzogene Kinder unterhalten und die Zeit
totschlagen lassen und nicht wissen, mit welchen Spielereien und
Kinckerlitzchen ein sinnentleertes Leben noch gewürzt und gestaltet
werden kann. So wischen wir auf Handys herum, glotzen den
immergleichen Krimikrampf und lassen täglich Pathologen und Leichen
durch unsere Stuben spuken und brauchen immer neue Perversionen, um
nicht an Langeweile zu sterben. Zwischendurch rasen wir wie
Geisteskranke von A nach B und wieder zurück, weil wir es nirgends
aushalten, immer auf der Flucht sind, nicht selten ohne jeden Sinn
und Zweck. Nicht selten fliehen wir vor der Leere und sind entsetzt,
dass uns diese am Zielort schon erwartet. Am Ende, weil sie in uns
ist? Das schrie nach Medizin, und man fand sie in Religion, Geld,
Mode, alle Arten von Kunst und Künstlichkeit, politischen Wahn,
Nationen- und Rassenkult, Etikette, Krieg usw. Leider schaffen alle
diese Schimären am Ende noch größere Leere.

Und diese ist nur zu füllen durch Arbeit, durch richtige Arbeit, mit
der man Bedürfnisse befriedigt, die selber schon „Sinn“ ist und deren
Produkte erst recht Sinn machen, weil sie uns und die unseren leben
und überleben lassen. 
Und was machen wir? Wir ersetzen uns selber durch immer neue
Maschinen, ich glaube so blöd war noch kein Wesen in der Galaxis. 


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Noch ein Gedanke dazu aus: „Kalendergeschchten eines bayerischen
Barden“, edition baam, 1983