18.07.19 Schuld setzt immer Macht voraus
Leserbrief an STB zum Artikel „Auf den Spuren
jüdischen Lebens“ vom 6.7.19
"In meinenbeinah siebzig Lenzen erinnere ich mich an keinen einzigen Fall, bei dem ich
Antisemitismus erlebt hätte, wobei m. E. die berechtigte Kritik an der
Apartheidspolitik Israels nicht in diese Kategorie gehört. Ich sehe es so, dass
sich der Zionismus hinter dem Judentum versteckt, obwohl sich bürgerliche und
religiöse Juden seit hundert Jahren vehement gegen den jüdischen Nationalismus
aussprechen. Der Redakteur des Tagblatts, der sich mit einer Kippa aufgemacht
hat Antisemitismus zu suchen, wandelt auf den Spuren des jüdischen
Filmemachers, der sich mit demselben Ziel aufmachte. Seinen Film „Defamation“
sollte sich jeder ansehen, der sich für die Thematik interessiert.
Die Empörung der
befragten jüdischen Regensburgerin darüber, dass sie sich dauernd für das
zionistische Regime in Israel rechtfertigen soll, obwohl sie nichts damit zu
tun hat, ist verständlich. Die meisten von uns können das gut nachempfinden,
denn uns Deutschen geht es seit Kriegsende so, auch wenn man selber, ebenso wie
schon Eltern und Großeltern, Rassismus und Faschismus verachtet.
Dabei kümmerte
niemanden der Umstand, dass das 3. Reich eine Diktatur war und Deutschland das
erste Land, das die Faschisten erobert haben, wie Bert Brecht einmal schrieb.
Trotzdem wurde ein ganzes Volk für die Verbrechen seiner Tyrannen
verantwortlich gemacht. Doch Schuld setzt immer Macht voraus, die die deutsche
Bevölkerung zu keiner Zeit hatte.
Die nun eingerichtete
Meldestelle für antisemitische Umtriebe erweckt den Anschein der Wiederbelebung
der Blockwart-Mentalität und erinnert an Stasi und Inquisition. Da passt der
Ausspruch des israelischen Bildungsministers Rafi in diesen Tagen dazu, der
schon Mischehen einen zweiten Holocaust nannte.
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